Der Problemmann (German Edition)
zusammenbrach, war er schwer erschrocken. Was konnte er tun? Vorsichtig entzog er sich und verschwand im Badezimmer, um das Kondom zu entsorgen. Während er auf der Toilette saß, kam ihm das erste Mal der Gedanke, dass etwas an diesem Szenario nicht stimmte. Er grübelte, was es hätte sein können. Kurz darauf legte er sich neben sie, nahm sie wieder in seine Arme und versuchte sie zu trösten. Noch immer weinte sie. Es erinnerte ihn an die Frau, die er Silvester gesehen hatte. Wie sie an der Tanzfläche gestanden hatte und tiefe Traurigkeit versprühte. Er konnte sich genau an seine eigene Empfindung in diesem Moment erinnern. Ein unwiderstehlicher Drang zu dieser Frau zu gehen und sie fest in seine Arme zu nehmen war über ihn gekommen. In diesem Moment, als er neben Anna lag und sie bitterliche Tränen vergoss, spürte er wieder diesen Drang und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass diese Frau an Silvester Anna war. Hatte er nicht zufällig Tom getroffen? Der wollte ihm nicht seine Begleitung vorstellen. Natürlich, Tom war mit Anna unterwegs gewesen und wollte nicht, dass er sie kennenlernte. Aber warum nicht?
Später in der Nacht war Christian aufgewacht und erstaunt, dass er überhaupt eingeschlafen war. Anna hatte inzwischen aufgehört zu weinen. Ruhig atmend lag sie neben ihm. Er ahnte nicht, dass sie ebenso wach war wie er. Immer wieder war er eingeschlafen und ebenso schnell wieder wach geworden, sodass er am nächsten Morgen glaubte überhaupt nicht geschlafen zu haben. Im Morgengrauen hatte er sich leicht aufgesetzt und gesehen, dass Anna an die Decke starrte.
„Du bist ja wach“, hatte er festgestellt.
„Ich habe kaum geschlafen.“
„Ich auch nicht. Was war denn mit dir los?“
„Ich weiß es nicht.“
„Lag es an mir?“
„Keine Ahnung. Aber ich denke wohl nicht.“
Ohne dass Anna etwas hätte sagen müssen, war ihm in diesem Moment klar, dass es nie funktionieren würde. Er war aufgestanden und dabei sich anzuziehen. Spärliche Morgendämmerung beleuchtete ihr Schlafzimmer.
„Es wird nicht gehen“, sagte sie.
Er hielt kurz inne und sah zu ihr. Sie saß im Bett und sah in diesem Moment wunderschön aus. Ihre glatten Haare waren leicht zerzaust und eine Aura des Schmerzes umgab sie. Dunkle Schatten ließen ihre Augen strahlen.
„Ich weiß.“
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Kaum hatte er ihre Wohnung verlassen hatte sie im Internet nach einem Flug gesehen und sofort den nächsten freien gebucht, ohne zuvor zu fragen, ob es in Ordnung ginge, wenn sie nochmals in das Haus fahren würde. Sie war davon überzeugt, dass Uta die Umstände verstand. In zwei Stunden hatte sie alles organisiert. Sie packte eine große Tasche, steckte lediglich das schöne Skizzenbuch von ihren Kolleginnen und das Etui ein und machte sich auf den Weg zum Flughafen. Vom Gate aus rief sie Melanie an und erzählte ihr, was sie vorhaben würde. Melanie erklärte sie für vollkommen verrückt und wünschte ihr viel Spaß.
Anna hatte sich derart spontan für diese Reise entschieden, dass sie eine Nacht in Udine bleiben musste, da sie kein Bus mehr in die Nähe des Hauses bringen würde. Sie hätte sich ein Auto mieten können, aber sie hatte sich in den Kopf gesetzt den gleichen Weg zu gehen, wie vor ein paar Monaten. Lediglich zwei Wochen blieben ihr um zu entscheiden, wie es weiter gehen sollte. Würde sie tatsächlich in der Versicherung bleiben können? Fürs erste musste sie natürlich die neue Stelle antreten, das war sie Melanie schuldig, die sich so sehr für sie eingesetzt hatte. Aber würde sie es auf Dauer ertragen zu wissen, dass Tom zwei Etagen über ihr saß und sie nie zu ihm gehen dürfte, sich nie mit ihm zum essen treffen könnte und er überhaupt nie mit ihr sprechen würde? Sie war soweit die Stadt zu verlassen. Einfach weit weg von all dem. Uta und Oliver waren ihre Freunde, dort würde sie zwangsläufig auf Tom treffen. Sie könnte es nicht ertragen ihn dort zu sehen und kaum mit ihm zu sprechen. Eventuell würde er sogar irgendwann eine Frau mitbringen. Bei dem Gedanken wurde ihr schlecht. Der Schleim war schon da und sie glaubte sich jeden Moment übergeben zu müssen. Jemand trat mit Gewalt in ihre Peristaltik. Augenblicklich ließ sie ihre Tasche in den Staub fallen und beugte sich über einen Busch, in der Erwartung jeden Moment ihren Mageninhalt vor sich wieder zu finden. Sie würgte und spukte doch es kam nichts weiter außer Speichel. Ihr war hundeelend. Ganz egal, dachte sie, ich muss mich ausruhen.
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