Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
guten Ruf des Hotels. Wäre er ein meiner Stelle, wovor ihn der Himmel bewahren möge, so besäße er zumindest Grips genug, dankbar zu sein, so glimpflich davongekommen zu sein.
Ich zucke nur mit den Achseln und gehe. In einer Woche beginnt ohnehin die Schule wieder, die vorletzte Klasse des Gymnasiums. Mama hat ihr Geld bekommen, ich habe einiges für Kleider ausgegeben und bin im Sommer ausgegangen. Ich habe ein Leben im Überfluss gelebt und mir gastronomische Gewohnheiten zugelegt, die mich mein Leben lang begleiten werden. Trotzdem habe ich etwa zweitausend Kronen auf die hohe Kante gelegt. Mehr als mein Vater in diesem Sommer netto mit seiner Arbeit verdient hat.
Im Nachhinein, als Kriminologe, habe ich mir einen Spaß daraus gemacht zu versuchen, die Konsequenzen zu ermitteln, die diese ersten ernsthaft kriminellen Aktivitäten meines jungen Lebens hätten haben können. Laut damals geltenden Gesetzen und damals geltender Rechtspraxis und unter der Voraussetzung, dass dem Zoll und der Polizei der volle Umfang meiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangt wäre, wäre ich kaum mit einer Geld-, Bewährungs- oder Jugendstrafe davongekommen, obwohl ich keinerlei Vorstrafen aufwies. Während jener zwei Sommer habe ich einige hundert Flaschen Schnaps und vielleicht hunderttausend Zigaretten verkauft, fünfhundert Stangen, was zu diesem Zeitpunkt vollkommen ausgereicht hätte, um in einem Erziehungsheim oder vielleicht sogar in einem Jugendgefängnis zu landen.
Es gibt auch einen Mittäter, aber ich habe alles eingefädelt, und möglicherweise ist das auch der Grund, warum er nicht ebenfalls gefeuert wird. Der Direktor erteilt ihm nicht einmal eine Rüge. Der andere ist im Übrigen ein sehr guter Kumpel. Er ist still, loyal und angenehm im Umgang. Er hat dieselben Interessen wie ich, Mädchen, Kneipen und gute Bücher. Außerdem wird auch er Professor an der Universität, und wie er heißt, spielt keine Rolle. Es muss schließlich nicht alles im Lebenslauf stehen, und will er von dieser Zeit erzählen, dann ist das seine Entscheidung. Schreiben kann er, ich habe etliche seiner Bücher mit Gewinn gelesen.
Später im Leben sinne ich darüber nach, warum ich das alles auf die leichte Schulter nehme. Dass ich es mit einem Achselzucken abgetan und mir keine Sorgen darüber gemacht habe, dass die Polizei plötzlich an die Tür unserer Wohnung klopfen könnte. Die Straftaten, die mein Freund und ich begangen haben, haben schließlich niemanden ärmer gemacht. Sie sind in dieser Beziehung nicht problematisch, eher im Gegenteil. Mein Vater ist ein ehrenhafter und rechtschaffener Mann, aber wenn er hin und wieder mal einen Schnaps trinkt, kommt er gerne darauf zu sprechen, wie ungerecht es sei, dass ein normaler, ehrlicher Arbeiter »die Hälfte seiner Rente dafür zahlen muss, nur weil er mal einen Kurzen zum Essen trinken will«.
Sein Sohn hat versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Er hat seinem Vater sogar Whisky, Wodka und Cognac geschenkt. Meinen Eltern erzähle ich nie von meinen Nebeneinnahmen. Vermutlich sind sie selbst draufgekommen. Über den Umfang sind sie sich jedoch nicht im Klaren. Denn dann hätten sie mich ermahnt, umgehend mit diesen Dummheiten aufzuhören. Jetzt nimmt mein Vater die Geschenke einfach dankend an. Schließlich ist nichts dabei, solange ich vorsichtig bin.
»Vielen Dank«, sagt Papa und lächelt jedes Mal, wenn ich ihm eine Flasche überreiche. »Ich hoffe, dass du dich meinetwegen nicht ins Systembolaget bemühen musstest. Wie würde das aussehen!«
Papa ist nicht der Einzige, der so denkt. Alle Erwachsenen in meinem Umfeld denken so, meine Onkel, alle Meisterjäger der Familie. Meinen Großvater hätte man das nicht einmal fragen brauchen. Er betrachtet alle Steuern und ähnliche bürokratische Einmischungen in das Leben ehrlicher Menschen als reine »Hitlerallüren«, und moralische Bedenken lassen ihn kalt. Jeder soll auf seine Weise selig werden, nach dieser Maxime lebt er, jedoch unter dem Vorbehalt, »dass, wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll.« Das habe sogar dieser Unglücksvogel Marx begriffen, obwohl er sonst alles missverstanden habe, aber auf den Charakter der Arbeit geht er nie ein. Bei Arbeit geht es um Geldverdienen. Lass jeden auf seine Weise selig werden. Punkt. Und ein Kenner von Karl Marx ist er nicht.
So viel zu den moralischen Grundlagen. Dazu kam dann noch der Umstand, dass ich nach meinen eigenen Maßstäben finanziell unabhängig geworden war. Mit dem Geld, das
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