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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Mitglieder meiner eigenen weitläufigen Familie. Ich nehme mir eine große Portion von den Leckerbissen und packe sie auf meinen Platzteller. Leicht amüsierte Blicke, Blicke, die etwas zu bedeuten haben. Sie lassen mich begreifen, dass etwas nicht stimmt. Mein Klassenkamerad verdreht die Augen, und das Dienstmädchen löst das Problem, indem sie mir einen neuen Teller reicht.
    Ich bin zu einem Abituressen bei einer Schulkameradin eingeladen. Sie ist in mich verliebt, aber das habe ich nicht begriffen. Als Tischdame habe ich die Gastgeberin. Dass von mir erwartet wird, dass ich für das Essen danke, und zwar beim Dessert, ist mir klar. Einen eigenen Smoking trage ich auch. Den habe ich für das Geld meiner ewigen Aushilfsjobs und schwarzen Geschäfte gekauft, und bislang bin ich gut zurechtgekommen. Keine Ellbogen auf dem Tisch, das Messer nicht abgeleckt, Konversation mit meiner Tischdame und mit dem Mädchen links von mir. Insoweit unterscheide ich mich nicht von der übrigen Gesellschaft.
    Aber trotz aller Stunden in Holger Rosenquists Tanzstunde ist mir entgangen, dass ich die Gastgeberin auch zum ersten Tanz auffordern muss. Ein Klassenkamerad löst dieses Problem schließlich für mich. Er ist auf der richtigen Straßenseite zur Welt gekommen. Ich selbst schiebe das Missgeschick darauf, dass ich mich am Bein verletzt habe – als mir klar wird, was ich versäumt habe – und dass ich versuche, sie zum nächsten Tanz aufzufordern, macht die Sache nicht besser.
    Immer wieder lande ich falsch herum auf dem Pferderücken, jedes Mal, wenn ich versuche, mich in den Sattel zu schwingen.
    Ich erinnere mich daran, wie in der Küche bei uns zu Hause gegessen wurde. Mama steht am Herd und kocht. Wir anderen haben bereits zu essen begonnen, noch ehe sie selbst die Zeit gefunden hat, am Tisch Platz zu nehmen. Papa ist von der Arbeit nach Hause gekommen, und sein ganzer Körper schmerzt vor Müdigkeit. Er sondert das förmlich ab, die Schmerzen sind so stark, dass man sie fast berühren kann. Sein einziger Gedanke ist, sich, sobald er gegessen hat, auf dem Bett auszustrecken und auszuruhen. Nur einen Moment, damit er die Kraft hat, sich die Nachrichten im Radio anzuhören, ehe er danach endgültig einschläft.
    Am besten erinnere ich mich an die Stille. An die Fragen, die mir nie gestellt wurden und die ich nie stellen konnte, weil mir meine Eltern nie irgendwelche Fragen oder Antworten mit auf den Weg geben konnten. Fragen und Antworten, die von allem Erdenklichen gehandelt hätten, von den Dingen, die ich in der Schule gelernt hatte, worüber ich mit meinen Klassenkameraden gesprochen hatte, wovon ich in Büchern und in der Zeitung gelesen oder im Radio gehört hatte. Fragen und Antworten, die ich mir nicht aneignen kann und noch viel weniger meinen Eltern geben oder stellen kann, während sie noch Sinn machen, ganz abgesehen davon, ob ich den Hauptgewinn im Lotto gewinne oder nicht.
    Ich kann jedoch eins tun: Fliehen. Mit Hilfe meiner Tagträume, meiner Bücher, meiner Freunde, mit Hilfe von Mädchen, Verliebtheiten und des Geldes, das ich verdienen kann, aus dem Schweigen fliehen. Wovor ich nicht fliehen kann, daran versuche ich nicht zu denken, ich verleugne es oder umgehe es schlimmstenfalls mit einer Lüge.
    Ich vermeide es, von meiner Familie zu sprechen, Klassenkameraden mit nach Hause zu nehmen, von der Arbeit meines Vaters zu sprechen. Daran erinnere ich mich am deutlichsten, dessen schäme ich mich am meisten und dessen schäme ich mich immer noch. Ich verleugne nicht nur mich selbst. Am schlimmsten ist, dass ich auch meinen Vater verleugne, obwohl er bereit ist, alles für mich zu tun und es in der Tat die ganze Zeit auch tut.

36.

Eine Geldkassette für meine Geheimnisse
    Zu Weihnachten nach meinem zweiten Arbeitssommer – nach jenem Sommer, in dem ich begonnen habe, Schnaps und Zigaretten zu schmuggeln und ernsthaft Geld zu verdienen – bekomme ich von meiner Mutter eine Geldkassette. Es ist fast, als hätte sie etwas geahnt. Es ist eine stabile Kassette aus dickem, grün lackiertem Metall mit einem ordentlichen Schloss. Nichts, was man einfach in die Tasche stecken und wegtragen könnte. Will man sie bewegen, muss man sie in beide Hände nehmen. Es handelt sich eher um eine kleine Truhe als eine Kassette.
    Mama klingt in der Tat recht feierlich, als sie mir das Geschenk überreicht. In der Kassette könne ich das Geld aufbewahren, das ich verdienen würde, und all die anderen Geheimnisse, die, wie sie

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