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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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verstanden, dass es in Serie Nummer 4 nicht nur um Sex ging, sondern auch um Besitz und Kontrolle. Die sexuelle Komponente war wesentlich und nach ihrer Überzeugung der Dreh- und Angelpunkt, von dem der Erfolg der Show abhing.
    Michael hatte Stunden damit zugebracht, sich die
Hostel
-Filme mit jeder Einzeleinstellung genau anzusehen, und war zu dem Schluss gekommen, dass sie am Ende zu einem Blutbad verkamen, das ihre Zuschauer auf Teenager einschränkte, denen es vor allem um platte Brutalität ging. Spritzte erst mal das Blut, war die Spannung bald dahin.
    Linda fand diese Streifen ihrerseits widerwärtig; stattdessen hatte sie fast jedes Buch über Patty Hearst und die Symbionese Liberation Army, das sie auftreiben konnte, wieder und wieder verschlungen. Was sie faszinierte, war die psychologische Veränderung, der die Erbin unterzogen wurde, bis sie zu Tanya, der späteren Revolutionärin, wurde. Zwar hatten sie nicht vor, Nummer 4 unter Drogen zu setzen und ihr eine Waffe in die Hand zu drücken, damit sie bei einem unausgegorenen Banküberfall und einer nebulösen Revolution mitmischte, um die Armen durchzufüttern. Was Linda umso mehr an dem Fall interessierte, waren die Methoden, mit denen Hearst dazu gebracht wurde, ihre Identität aufzugeben: Isolation. Fortwährende Bedrohung. Sexueller Druck. Diese virtuose Mischung hatte nach und nach alles, was Patty Hearst ausmachte, ausgelöscht und sie zu einem unbeschriebenen Blatt werden lassen, mit dem ihre Entführer machen konnten, was sie wollten.
    Dies waren Elemente, die sie in ihre Show einbauen konnten. Dabei ging sie einfach davon aus, dass sie ihre Faszination mit den Zuschauern rund um den Globus teilte. Ganz anders als Michael, der sowohl zur Show als auch zu den Menschen, die dafür bezahlten, rund um die Uhr Zugang zu Nummer 4 zu haben, eine klinische Distanz wahrte, wusste sie, dass sie einen Teil ihrer Passionen mit ihnen teilte.
    Natürlich wurde sie mit zunehmender Sogwirkung umso grausamer. Sie wollte Nummer 4 besitzen – und sie wollte ihr wehtun.
    Manchmal schlich sie, wenn Michael schlief, aus dem Bett, wickelte sich den nackten Körper in eine Decke, ging zu den Monitoren und sah zu. Dabei schlug ihr Herz wie bei den Benutzern, die irgendwo anonym dasselbe taten, höher. Es war eine andere Form der Intimität. Sie wurde in einer Weise erregt, die sie nicht erreichte, wenn Michael und sie sich liebten. Ihr Atem kam keuchend. Sie hatte den glühenden Wunsch, sich selbst zu berühren, und ihre Erregung steigerte sich noch, indem sie es sich versagte. Sie übte Verzicht, damit es, wenn sie sich Michael hingab, noch leidenschaftlicher war. Sie wusste, dass sie ihn mit dieser hemmungslosen Leidenschaft überraschte, doch er sagte nichts und gab ihr, was sie brauchte.
    Die Jungfräulichkeitsuhr war ihre Idee. Sie war eine einfache Ergänzung. Ein Zeitmesser, der in die Bilder, die hinausgingen, eingeblendet wurde. Die Zuschauer wurden aufgefordert, zu wetten, wann genau Nummer 4 von ihren beiden maskierten Geiselnehmern gezwungen würde, ihre Jungfräulichkeit aufzugeben. Es war ein bisschen wie eine Tippgemeinschaft im Büro, nur dass es bei dieser Wette nicht um ein Fußball- oder Basketballspiel ging, sondern um Vergewaltigung.
    Es war unmöglich vorherzusagen, wann es dazu kommen würde, doch es bezog die Zuschauer in ein interaktives Spiel ein.
    Als die Uhr und die Angaben dazu, wie man eine Online-Wette posten konnte, das erste Mal erschienen, hatte es einen augenblicklichen
     Anstieg im E-Mail-Verkehr gegeben.
    Viele Menschen lieben die Lotterie, dachte Linda, das Entscheidende war nur, den Anreiz nahezu beständig aufrechtzuerhalten.
    Von Anfang an war bei Serie Nummer 4 das Element der Suggestion entscheidend gewesen, dazu ein gehöriges Maß an Action. Linda war peinlichst darauf bedacht, bei den Benutzern keine Langeweile aufkommen zu lassen und zugleich den Höhepunkt hinauszuschieben. Es ging darum, all die Menschen, die zuschauten, mit der Geschichte von Nummer 4 zu fesseln, so dass das Publikum, abgesehen von der sexuellen Stimulation, die Drehungen und Wendungen des Geschehens genoss, als wäre die Gefangenschaft von Nummer 4 eine Seifenoper, die sich real und andererseits auch nicht real vor aller Augen abspielte.
    Die Jungfräulichkeitsuhr war nur so etwas wie ein kleiner Wechsel in der Kulisse.
    Sie erschien in der Ecke gegenüber der anderen Uhr zu Nummer 4 in Rot, die fortlaufend die Zeit von Jennifers Gefangenschaft

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