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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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seinen Volvo fällig war.
    Er fragte sich, ob alle Künstler einen solchen Sinn fürs Detail besaßen. Es hätte ihm eingeleuchtet. Tommy hatte die Fähigkeit seiner Mutter geerbt, sich mühelos Namen und Orte einzuprägen. Diese Aufnahme hatte er bei der und der Belichtungszeit, mit der und der Blende und der und der Beleuchtung gemacht. In seinem Metier war er ein wandelndes Lexikon.
    Jeder von ihnen, glaubte Adrian, wäre besser geeignet, nach Jennifer zu suchen. Jeder von ihnen hätte Einzelheiten und Beobachtungen zu Fakten zusammengefügt. Sie wären wie Brian in der Lage gewesen, sich anhand winziger Bruchstücke ein Bild zu machen.
    Er war eifersüchtig. Sie waren alle bessere Detektive als er selbst. Wieder einmal starrte Adrian angestrengt auf den Queen-Anne-Sessel, Cassies Lieblingsplatz, auf dem sie jetzt hätte sitzen sollen. Er fühlte sich schrecklich allein.
    Er war sich vage darüber im Klaren, dass sein Heim dieselben Anzeichen der Verwahrlosung zeigte wie er selbst. Er wusste, dass sich im Ausguss das Geschirr stapelte. Er wusste, dass der Korb mit der schmutzigen Wäsche überquoll. Er wusste, dass der Staubsauger und der Wischmopp danach schrien, zum Einsatz zu kommen, auch wenn er nicht einmal sagen konnte, in welcher Sprache solche Geräte redeten. Irgendeine metallisch klingende Geisterstimme wie eine Ansage im Zug oder Bus.
    Adrian mahnte sich, seinen Kopf zu gebrauchen, um ihn in Schuss zu halten, und so suchte er, nachdem er mitten im Wohnzimmer abrupt stehen geblieben war und gebrüllt hatte:
Hör zu, Cassie, verdammt noch mal, du musst mir helfen, an diesen ganzen Mist zu denken!,
nach einem Besen und fing an zu fegen. Da er keine Schaufel fand, kehrte er einen Teil des Drecks unter den Teppich. Darüber musste er selber lachen, und er konnte sich denken, dass er die Missbilligung seiner Frau auf sich zog. Ein gespenstisches
Audie, wie kannst du nur!
schien von den Wänden widerzuhallen, doch sie erschien immer noch nicht, und so fühlte er sich wie ein kleines Kind, das mit einem Verstoß gegen die Hausordnung davongekommen war. In das schlechte Gewissen mischte sich die heimliche Befriedigung.
    Dann stellte er den Besen weg und ließ ihn mit einem hohlen Knall auf den abgetragenen Holzboden fallen. Er ging in die Küche. Er schaffte es, eine Fuhre in den Geschirrspüler zu räumen und die Maschine in Gang zu setzen. Dann wandte er sich der Waschmaschine und dem Trockner zu. Nachdem es ihm gelungen war, das Pulver abzumessen, ins richtige Fach zu füllen und anschließend die richtigen Knöpfe zu betätigen, um den Waschvorgang zu starten, war er über alle Maßen mit sich zufrieden. Es waren die banalsten und einsamsten Erledigungen, die man sich denken konnte.
    Das alles schien nicht fair, haderte er, sie waren nicht da, obwohl er sie so dringend brauchte. Doch als die Maschine die vertrauten zischenden und rumpelnden Geräusche von sich gab und sich mit Wasser und Seifenlauge füllte, um seine Kleider zu waschen, wurde ihm bewusst, dass sie bei ihm waren.
    Er war nie allein. All die Menschen, die er liebte und die ihm wichtig waren, hatte er an seiner Seite.
    In dieser Sekunde begriff er, dass es nichts mit ihnen zu tun hatte, ob er sie hörte oder nicht. Er wirbelte herum, als hätte ihn ein Geräusch überrascht.
    Cassie stand hinter ihm. Er strahlte übers ganze Gesicht. Es war die junge Cassie; sie trug ein loses Sommerkleid, und er sah, dass sie schwanger war – hochschwanger, vielleicht nur Tage oder Minuten vor den ersten Wehen. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Küchentür. Sie lächelte ihn an, und als er sehnsüchtig einen Schritt in ihre Richtung machte und die Hand nach ihr ausstreckte, schüttelte sie den Kopf und zeigte wortlos zur Seite.
    »Cassie«, sagte er. »Ich brauche dich. Du musst hier bei mir bleiben und meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen …«
    Sie lächelte wieder und deutete immer noch zur Seite. Adrian verstand nicht ganz, worauf sie zeigte, und er trat mit fragend erhobenen Händen näher heran.
    »Ich
weiß,
es war nicht immer perfekt. Ich
weiß,
es gab Streit und traurige Zeiten und Frust, und du hast dich darüber beklagt, in einer kleinen Universitätsstadt zu versauern, in der nichts los ist, und du hättest es verdient, eine prominente Künstlerin in der Großstadt zu sein, und ich würde dich daran hindern. Das
weiß
ich alles. Und ich entsinne mich, wie schwer es war, besonders, als Tommy seine rebellischen Phasen hatte und wir uns

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