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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Augenkontakt quer durch den Raum, die gelangweilte Lässigkeit ihrer Körper, der samtene Ton ihrer Stimmen. Ein einziges Wort, ein kaum merkliches Nicken, ein Schulterzucken – kleine, emotional aufgeladene Gesten in einem dämmrigen Raum voller Exzesse und Orgasmen, einem Gewimmel von nackten Männern und Frauen, die in jeder erdenklichen Position und Fasson kopulierten – so kamen sie zusammen. Jeder von ihnen war gerade mit einem anderen beschäftigt, als sich ihre Blicke trafen. Keiner von beiden genoss sonderlich, was er gerade tat. In einem Raum voller Aktivitäten, die in den Augen der meisten Menschen
höchst
ungewöhnlich waren, langweilten sich beide ein bisschen.
    Doch sie sahen einander, und etwas Tiefes und wahrscheinlich Beängstigendes hallte in ihnen nach. Tatsächlich hatten sie in dieser Nacht keinen Sex miteinander. Sie sahen sich einfach nur gegenseitig dabei zu und erkannten unter all dem wohligen Stöhnen und den lustvollen Schreien eine geheimnisvolle Zielstrebigkeit. Inmitten der ungezügelten menschlichen Begierde kam es zwischen ihnen zu einer explosiven Vereinigung auf Distanz. Während Fremde ihre Körper sondierten, konnten sie die Blicke nicht voneinander lassen.
    Irgendwann bahnte sich Michael durch die schweißnassen Leiber einen Weg zu ihr und staunte über seine eigene Aggressivität. Normalerweise hielt er sich zurück und stolperte bei neuen Bekanntschaften, während in seinem Innern unkontrollierbare Wünsche brodelten, über seine eigenen Worte. An Linda geilte sich gerade ein Mann auf, dessen Namen sie nicht kannte. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie Michael auf sie zukam, und wusste instinktiv, dass er nicht auf der Suche nach einer Körperöffnung war.
    Sie löste sich abrupt von ihrem Partner, dessen plumpe Zuwendungen sie ohnehin angeödet hatten und der verblüfft, auf halber Strecke und ein wenig verärgert zurückblieb. Sie erteilte seinen hitzigen Vorwürfen mit einem einzigen grimmigen Blick eine Abfuhr, stand nackt, wie sie war, auf und nahm den nackten Michael wie einen langjährigen Bekannten bei der Hand. Ohne große Worte verließen sie die Party. Für einen kurzen Moment sahen sie, Hand in Hand auf der Suche nach ihren Kleidern, wie Adam und Eva bei der Vertreibung aus dem Paradies auf einem Renaissance-Gemälde aus.
    In den Jahren, seit sie zusammen waren, hatte die Art, wie sie sich kennengelernt hatten, bei ihnen nicht die geringsten Zweifel geweckt. Sie hatten nicht lange gebraucht, um beieinander dunkle, glühende Leidenschaften zu entdecken, die mit Sex allein nicht zu stillen waren.
     
    Der Benzingestank stach Michael in die Nase. Er schnürte ihm fast die Kehle zu, und er versuchte, ein wenig frische Luft zu schnappen, von der im Innern des Transporters kaum noch etwas übrig schien. Von den Ausdünstungen wurde ihm einen Moment schwindelig, und während er weiterschüttete, musste er ein paarmal husten. Sobald der geriffelte Boden in allen Regenbogenfarben schillerte, schob er sich aus der Tür und schnappte gierig nach Luft.
    Als er wieder klar denken konnte, machte er sich erneut ans Werk. Er ließ noch mehr Benzin außen über die Karosserie laufen, ging zur Frontseite des Lieferwagens herum und durchtränkte die Vordersitze. Endlich zufrieden, warf er den roten Kanister auf den Beifahrersitz und ein paar OP -Handschuhe hinterher. Er hatte eine Fünf-Liter-Kanne mit Reinigungsbenzin vorbereitet und eine Baumwollzündschnur getränkt – eine Napalmbombe im Miniformat. Er zog ein Feuerzeug aus der Tasche.
    Michael nutzte die Gelegenheit, sich noch einmal umzusehen. Er befand sich hinter einer alten, längst dichtgemachten Papiermühle. Den Lieferwagen hatte er mit Bedacht ein Stück vom Gebäude entfernt geparkt; er wollte kein Feuer zünden, das zu schnell allzu viel Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, sondern einfach nur den gestohlenen Wagen vollkommen zerstören. Er war darin inzwischen recht geübt, aber so schwierig war es ja auch nicht.
    Er blickte sich ein letztes Mal prüfend um und vergewisserte sich, dass er nichts zurückgelassen hatte. Er brauchte nur ein paar Sekunden, um die Nummernschilder abzuschrauben und sie anschließend in einen nahe gelegenen Teich zu werfen. Dann zog er sich sämtliche Sachen aus, um sie zu bündeln, mit Benzin zu tränken und auf die Ladefläche zu werfen. Er zitterte, als ihm die Kälte unter die Haut kroch, dann zündete er seine selbstgebastelte Bombe und warf sie in die geöffnete

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