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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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sie auf eine Frage, obwohl keine gestellt worden war.
    Mark Wolfe starrte auf die Wegbeschreibung. »Ungefähr siebzehn Kilometer auf dieser Straße«, sagte er, »das heißt genau siebzehn Komma drei, wenn das hier stimmt. Dann noch eine Abzweigung, weitere sechs Komma neun Kilometer, und wir müssten da sein. Vorausgesetzt, das hier stimmt. Man kann sich auf Mapquest nicht immer verlassen.« Er lachte. »Hätte mir nie träumen lassen, mal den Navigator für die Polizei zu geben.«
     
    Adrian fand einen Pfad, der sich parallel zur Einfahrt zwischen den Bäumen hindurchzuschlängeln schien. Er kletterte über umgefallene Stämme und stapfte auf schwammig feuchter Erde. Spitze Zweige und Dornen verfingen sich in seinen Kleidern, und nach wenigen Minuten wurde der Trampelpfad noch enger und unwegsamer. Er kämpfte sich durch frisch austreibendes Gestrüpp.
    Mal führte der Pfad nach links, dann nach rechts, mal öffnete er sich, so dass Adrian zügig vorankam, dann wieder war er kaum noch auszumachen. Adrian mochte sich nicht eingestehen, dass er sich schon wieder verirrt hatte, doch ihm war klar, dass er in Richtungen gezwungen wurde, die ihn von seinem Ziel entfernten. Während er sich durch das Buschwerk voranarbeitete, bemühte er sich, seinen Orientierungssinn zu bewahren. Er rechnete schon halb mit einer Bemerkung von Brian, um wie viel schlimmer der Dschungel in Vietnam sei, doch er hörte nur den schweren, angestrengten Atem seines Bruders neben sich. Als er einen Moment stehen blieb, um sich auszuruhen, merkte er, dass es sein eigenes Keuchen war.
    Er fühlte sich, als sei er in eine Falle getappt. Am liebsten hätte er sich den Weg mit der Neunmillimeter freigeschossen. Trotz der angenehmen Temperatur tropfte ihm der Schweiß von der Stirn. Es war wie in einer Schlägerei, und er holte aus, wenn ihm ein Zweig ins Gesicht peitschte, oder trat nach den dornigen Trieben, die sich an seiner Hose verhakten.
    Adrian sah einen Moment auf. Der blaue Himmel schien ihm auf seinem Weg zu leuchten. Er zwang sich voran, auch wenn er wusste, dass »voran« im strengen Wortsinn vielleicht zur Seite oder zurück bedeutete. Er drehte sich völlig im Kreise und gestand sich ein, dass der dichte Wald ihm ein Schnippchen geschlagen hatte.
    Für einen Moment geriet er bei dem Gedanken in Panik, er könnte sich in ein Niemandsland manövriert haben, aus dem er nicht wieder herausfinden würde, so dass er den Rest seiner Zeit auf Erden in einem dichten Gewirr aus Bäumen und Büschen verbringen musste, nur weil er ein einziges Mal die falsche Richtung eingeschlagen hatte.
    Am liebsten hätte er um Hilfe gerufen. Er griff nach Zweigen und zog sich daran in die Richtung weiter, die gerade zur Verfügung stand. Mehr als einmal stolperte er, und nach und nach artete das Ganze in einen blutigen Kampf aus, bei dem er sich an Gesicht und Händen Kratzer und Striemen holte. Er verfluchte sein Alter, seine Krankheit und seine Obsession. Doch auf einmal lichtete sich der Wald, der ihn eben noch zu verschlingen drohte, und entließ ihn schließlich ganz aus seiner Gewalt.
    Adrian stand auf einer Schneise, der Boden unter seinen Füßen fühlte sich fester an, das Dornengestrüpp trat zurück. Er sah auf und hatte den Weg ins Freie vor sich. Wie ein Ertrinkender wild nach Luft schnappt, sobald er mit dem Kopf durch die Wasseroberfläche bricht, eilte er voran. Der Wald war hier zu Ende, und vor ihm lag ein lehmiges, grünes Feld. Voller Dankbarkeit fiel er auf die Knie. Er atmete ein paarmal tief ein und aus, um sich zu beruhigen und festzustellen, wo er war.
    Adrian hatte eine kleine, gewellte Anhöhe vor sich und machte sich, die Sonne im Rücken, auf den Weg. Es roch leicht nach feuchter Erde. Oben angekommen, blieb er stehen, um sich zu orientieren. Zu seinem Erstaunen sah er in der Senke die Scheune und das Bauernhaus. Er griff in seine Jacke und zog das Bündel Maklerbroschüren heraus, um die Bilder aufgeregt mit dem zu vergleichen, was er vor Augen hatte.
Ich bin da,
dachte er unendlich erleichtert.
    Seine verschlungenen Irrwege durch den Wald hatten ihn fast um das Haus herumgeführt, so dass er sich jetzt näher an der Scheune befand und eine Seitenfront des Hauses vor sich hatte. Er war mindestens fünfzig Meter von den beiden Gebäuden entfernt. Zwischen ihm und dem Haus lag offenes Gelände – ein lehmiges Feld, das einmal Weideland gewesen war.
    Diesmal bat er seinen Bruder nicht um Rat.
    Stattdessen ging Adrian in die Knie

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