Der Professor
Puzzle. Es liegt bei dir. Setz sie zusammen.«
Adrian überlegte. »Hilfst du mir dabei? Ich bin krank. Ich meine, Possum, ich bin richtig krank. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich überhaupt noch funktioniere. Mir scheinen die Dinge schon jetzt zu entgleiten, ich verliere die Kontrolle. Wenn ich diese Sache in die Hand nehme – was immer
diese Sache
ist –, weiß ich nicht mal, ob ich lange genug lebe …«
»Vor ein paar Minuten wolltest du dich noch erschießen«, sagte Cassie kurz angebunden, als erklärte das alles. Sie hob die Hand und deutete mit einer vagen Geste auf die Ruger Neunmillimeter.
»Ich konnte nicht einsehen, welchen Sinn es haben sollte, noch länger zu warten …«
»Aber du hast gesehen, wie dieses Mädchen auf der Straße verschwunden ist. Und das ist wichtig.«
»Ich weiß ja nicht mal, wer sie ist.«
»Es spielt keine Rolle, wer sie ist, sie hat die Chance verdient, am Leben zu bleiben. Und du bist der Einzige, der sie ihr geben kann.«
»Ich hab keine Ahnung, wo ich anfangen soll …«
»Puzzleteile. Rette sie, Adrian.«
»Ich bin kein Kripo-Ermittler.«
»Aber du kannst wie einer denken, nur besser.«
»Ich bin alt und krank, und mein Verstand lässt nach.«
»Dein Verstand tut’s noch gut genug. Nur noch dies eine Mal. Dann ist alles vorbei.«
»Ich schaff das nicht allein.«
»Du wirst auch nicht allein sein.«
»Ich hab noch nie jemanden retten können. Ich konnte weder dich noch Tommy, noch meinen Bruder retten oder sonst irgendeinen Menschen, den ich wirklich geliebt habe. Wie soll ich jemanden retten, den ich nicht mal kenne?«
»Ist das nicht die Antwort, nach der wir alle suchen?« Cassie lächelte jetzt. Er wusste, dass sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Sie gewann immer, weil Adrian bereits in den ersten Minuten ihrer gemeinsamen Jahre herausgefunden hatte, dass es ihm viel mehr Spaß machte, ihr zuzustimmen, als sich mit ihr zu streiten.
»Du warst so schön, als du jung warst«, sagte Adrian. »Ich habe nie begriffen, wieso eine so schöne Frau mit mir zusammen sein wollte.«
Sie lachte. »Frauen wissen so etwas«, sagte sie. »Männern mag es ein Rätsel sein, Frauen nicht. Wir wissen es einfach.«
Adrian schwieg einen Moment. Er hatte das Gefühl, dass ihm Tränen in die Augen traten, doch er wusste nicht, worüber er hätte weinen sollen, außer über alles.
»Es tut mir so leid, Cassie. Ich hatte nicht die Absicht, alt zu werden.« Das klang idiotisch, stellte er fest. Aber auf verquere Weise auch logisch. Er schloss einen Moment die Augen, um auf diesen leisen Klang zu hören. Es war wie ein Orchester, das nach symphonischer Vollendung strebte. »Ich hasse es, allein zu sein«, sagte er. »Ich hasse es, dass du tot bist.«
»Das hier wird uns einander näher bringen.«
Adrian nickte. »Ja«, sagte er. »Ich glaube, du hast recht.« Er spähte zu der Kommode hinüber. Dort stapelten sich die Rezepte des Neurologen. Er hatte beschlossen, sie wegzuwerfen, doch jetzt nahm er sie in die Hand. »Vielleicht«, sagte er langsam, »helfen die mir ein bisschen weiter …«
Er drehte sich um, doch Cassie war vom Bett verschwunden. Adrian seufzte.
Fang an,
befahl er sich.
Es bleibt so wenig Zeit.
7
S ie öffnete die Tür und blieb dann stehen. Sie spürte die aufwallende Erregung und wollte sie einen Moment lang auskosten.
Linda legte großen Wert auf Ordnung und Verlässlichkeit. Das galt sogar für ihre Passionen. Für eine Frau mit ausgefallenen Begierden und exotischen Vorlieben hatte sie einen ausgeprägten Sinn für Routine und klare Regeln. Sie zog es vor, ihre Ausschweifungen zu planen, so dass sie bei jedem Schritt genau wusste, was sie erwarten konnte und wie es sich anfühlen würde. Das schmälerte nicht den Genuss, sondern machte ihn exquisiter. Es war, als lägen diese beiden Aspekte ihrer Persönlichkeit im ständigen Widerstreit miteinander und zerrten sie in entgegengesetzte Richtungen. Andererseits liebte sie die Spannung, die daraus entstand; es gab ihr das Gefühl, einzigartig zu sein, und machte sie zu der wirklich außergewöhnlichen kriminellen Persönlichkeit, für die sie sich – wie auch Michael – hielt.
Linda sah sich gerne als Faye Dunaways Bonnie und Michael als Warren Beattys Clyde. Sie hielt sich für eine sinnliche, poetische und verführerische Frau. Das hatte nichts mit Arroganz zu tun, sondern entsprach einer realistischen Einschätzung ihres Aussehens und ihrer Wirkung auf Männer.
Natürlich gab sie
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