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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nichts auf die Kerle, die sie anstarrten. Sie hatte nur Augen für Michael. Linda war davon überzeugt, dass sie beide für eine außergewöhnliche Beziehung Maßstäbe setzten.
    Langsam ließ sie den Blick über den Kellerraum schweifen. Nackte weiße Wände. Ein altes, braunes Metallbett mit einem weißen Laken auf einer schmuddelig grauen Matratze. Eine mobile Toilette in der Ecke. Große Deckenleuchten, die erbarmungslos in alle Ecken strahlten. Die aufgestaute, heiße Luft roch unangenehm nach Desinfektionsmitteln und frischer Farbe. Michael hatte wie immer gute Arbeit dabei geleistet, für Serie Nummer 4 alles herzurichten. Manchmal konnte sie es immer noch nicht glauben, wie geschickt er geworden war – wo doch seine eigentliche Expertise die Arbeit am Computer und die Web-Operations waren, sein Fachgebiet am College und an der Uni. Doch er konnte genauso gut mit einem Elektrobohrer oder Hammer und Nagel umgehen. Er war ein richtiger Hansdampf in allen Gassen.
    Sie rief sich zur Ordnung und machte eine kritische Bestandsaufnahme. Was konnte sie in diesem Zimmer sehen, das dem Keller irgendeine wiedererkennbare Identität verlieh? Was könnte im Hintergrund des Webcasts erscheinen und auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür liefern, wo sie sich befanden und wer sie waren?
    Sie wusste, dass so alltägliche Dinge wie eine Rohrleitung oder ein Wasserboiler oder eine Lampe einen findigen Polizeibeamten auf ihre Spur lenken konnte – falls überhaupt irgendeiner sich ihren Webcast ansah. So konnten irgendwelche Anschlüsse einem Standardmaß in Inches statt Zentimetern entsprechen und besagtem cleverem Ermittler, den sich Linda gerne vorzustellen versuchte, verraten, dass sie sich in den USA befanden. Der Wasserboiler könnte ein Fabrikat von Sears sein und einem Modell entsprechen, das nur im östlichen Teil der USA vertrieben wurde. Die Beleuchtung könnte sich bis zu einem bestimmten Baumarkt zurückverfolgen lassen.
    Solche Einzelheiten konnten diesem fiktiven Ermittler einfach auf die Sprünge helfen. Er wäre eine Mischung aus Miss Marple und Sherlock Holmes, mit einer Prise zupackendem Realitätssinn, wie man ihn aus den gängigen Fernsehserien kannte. Vielleicht täuschte er einen verknitterten Columbo-Look vor oder eher den Hightech-Charme eines Jack Bauer. Doch sie rief sich ins Gedächtnis, dass es
ihn
da draußen gar nicht gab, sondern nur ihre Klientel. Die wiederum stand Schlange, um ihre Kreditkartenzahlungen durchzuführen und dann genüsslich das Drama auf Whatcomesnext.com zu verfolgen.
    Linda schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Der Blick auf die Welt durch die verengte Linse der Paranoia versetzte sie in Erregung; die Leidenschaften, die Serie Nummer 4 weckte, rührte zum einen von der radikalen Anonymität des Schauplatzes her – eine denkbar leere Projektionsfläche, vor der sich ihre Show entfaltete. Niemand, absolut niemand konnte zu irgendeinem Zeitpunkt vorhersagen, was im nächsten Moment passieren würde – und darin lag gerade der Reiz. Pornographie war ganz und gar explizit – die Bilder ließen keinerlei Zweifel am Geschehen; ihre Kunst war das genaue Gegenteil. Es ging um plötzliche Wendungen. Das Unerwartete, Unerhörte. Es ging um Visionen. Es ging um Erfindungsgabe. Es ging um Leben und Tod.
    Sie schloss die Tür hinter sich. Sie brauchte einen Moment, um sich die Maske vor dem Gesicht zurechtzuziehen; für dieses erste Mal hatte sie sich für eine einfache schwarze Wollmütze entschieden, die ihr struppiges blondes Haar verbarg und nur einen Schlitz für die Augen hatte. Es war die Art Kopfbedeckung, die Terroristen bevorzugten, und wahrscheinlich würde sie für die gesamte Dauer von Serie Nummer 4 noch öfter darauf zurückgreifen, auch wenn sie ein bisschen eng war. Ihr Körper steckte in einem weißen Chemikalienanzug aus Papier, der raschelte und knisterte, wenn sie einen Schritt vorwärts machte. Der Anzug verbarg ihre Figur; niemand konnte sagen, ob sie kräftig oder zart gebaut war, ob jung oder alt. Linda hatte unter dem Anzug einige Rundungen zu bieten; mit dieser Verkleidung nahm sie sich selber auf den Arm. Das Material zwickte an der nackten Haut wie ein Liebhaber, der zusammen mit der größeren Wonne kleinere Dosen Schmerz verabreichte.
    Sie zog sich OP -Handschuhe an. Auch ihre Füße steckten in den blauen sterilen Schlappen, die im Operationssaal Vorschrift waren. Unter ihrer Maskierung grinste sie bei dem Gedanken:
Das hier
ist
ein

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