Der Profi
»Mütterchen Heimat« – ja mich geschickt, um die Morde aufzuklären. Zwar traue ich den Bulgaren, Rumänen, Chinesen, Japanern und all den andern Clans nicht über den Weg. Meiner Meinung nach ist jedoch niemand so doof, sich mit den Morden sein eigenes Grab zu schaufeln. Ein Krieg zwischen den einzelnen russischen Clans? Das ist nie völlig auszuschließen. Allerdings ist unser Hauptverdächtiger, Timo , inzwischen aus der Liste herausgefallen.«
Sie sah mich misstrauisch an.
»Wollen Sie damit sagen, dass auch Sie nicht die geringste Ahnung haben? Erwarten Sie im Ernst, dass ich das glaube?«
»Eins weiß ich jedenfalls sicher: Jemand aus Ihren Reihen ist in die Verbrechen verstrickt!«
Der Drink, von dem Cruz bereits einen Schluck genommen hatte, machte plötzlich an ihren Lippen Halt. Ich wiederhole es an dieser Stelle nochmals: Selbst wenn sie im Moment etwas ungepflegt wirkte, ist Cruz Navarro eine extrem attraktive Frau … Man muss nur ihre Gesichtszüge und die Kurven ihres Körpers etwas genauer unter die Lupe nehmen. Dann vollführte die Hilfskommissarin eine äußerst reizvolle Geste: Sie neigte den Kopf etwas zur Seite, senkte anschließend das Kinn und sah mir konzentriert in die Augen. Ich ließ mich verführen …
Ich gebe gerne zu, dass ich in dem Moment etwas nervöser war, als es in meiner Erzählung jetzt den Eindruck macht. Ich stand immer noch wie unter Schock, gleichzeitig machte mich die Unverfrorenheit des Mörders rasend. Mein Auftrag war wie ein Wettrennen, und der Killer hatte dabei stets einen Vorsprung, er war ein wahrer Künstler seines Fachs … Chapeau , Señor Mörder! Wenn er mit derselben Geschwindigkeit weitermordete, wäre ich bald arbeitslos, weil es keine Russen mehr zu beschützen gab. Boris Iwanowitsch wäre davon ganz und gar nicht begeistert, da war ich mir sicher.
»Wovon reden Sie eigentlich …?«
»Von einem Polizisten der spanischen Kriminalpolizei. Mehr kann ich Ihnen zurzeit nicht sagen.«
»Für wen halten Sie sich eigentlich? Rücken Sie sofort heraus, was Sie wissen, oder ich lege Ihnen hier und jetzt die Handschellen an!«
Ich inhalierte tief und ausgiebig den Rauch meiner Zigarette, damit sich die Gemüter wieder beruhigen konnten.
»Ihre Handschellen würden wenig nützen! Außer Ihren theoretischen Kenntnissen haben Sie nichts gegen mich in der Hand. Morgen oder spätestens in zwei Tagen wäre ich wieder auf der Straße. Denken Sie besser noch mal in Ruhe darüber nach. Sie haben so gut wie nichts, was Sie gegen mich verwenden könnten!«
Cruz zögerte. Man merkte ihr die Unerfahrenheit an.
»Mit unserer möglichen Zusammenarbeit wäre es dann natürlich auch vorbei. Da können Sie sich sicher sein!«
»Ich hab Ihnen schon mal gesagt, zwischen uns gibt es keine …«
Wieder hob ich die Hände. Aber diesmal, um Frieden zu schließen.
»Schon klar. Ich weiß, dass wir keine Freunde sind! Sehen Sie, ich kenne den Namen des Polizisten wirklich nicht. Ich weiß nur, dass er von Zagonek bezahlt wurde. Sein Pseudonym: Rasputin. Doch ich weiß weder seinen wahren Namen noch seinen Dienstgrad oder die Einheit, für die er arbeitet. Das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass er in Madrid arbeitet.«
So viel Offenheit den Bullen gegenüber verursachte mir langsam, aber sicher einen Hautausschlag.
»Und was hat dieser Polizist mit der ganzen Angelegenheit zu tun?«
»Bin mir nicht ganz sicher …«
»Verdammt, Corsini! Sie wollen, dass wir zusammenarbeiten, aber Informationen geben Sie mir nicht. Ach … Bockmist!«, seufzte Cruz auf einmal lauthals. Wir bestellten noch einen Drink für jeden. Dann sagte sie: »Was Sie da andeuten, ist ziemlich brisant. Aber wie auch immer: Ihre Glaubwürdigkeit ist für mich gleich null! Glauben Sie bloß nicht, dass ich Ihnen Ihre Theorien einfach so abnehme.«
»Es ist alles, was ich zurzeit weiß.«
Es war unvermeidlich: Ich musste dem Gegner meine Informationen offenlegen. Nachdem Timo tot war und eine Beteiligung der Rumänen (aus Gründen der Unwahrscheinlichkeit) auszuschließen war, klammerte ich mich an meine einzige heiße Spur: Im Restaurant hatten die vory mir erzählt, dass Rasputin von Zagonek mehr Geld verlangt hatte und der ihn damit erpresste, ihn auffliegen zu lassen. Möglicherweise hatte Rasputin sich aus Zagoneks Fängen befreien wollen. Aber dass er außerdem noch Tamaew und Tschernekow ermordete, ergab überhaupt keinen Sinn – es sei denn, Rasputin wurde von mehreren vory
Weitere Kostenlose Bücher