Der Profi
mit.
»Wer ist dein Auftraggeber?«
Er unternahm einen letzten Versuch, mir ins Gesicht zu spucken, dann befiel ihn ein Krampf. Er hustete und stieß einen Blutschwall hervor.
»Ver … reck …«, fauchte er mich an.
Ich merkte es an seinen Augen: Er würde es mir niemals verraten. Ich respektiere es. Aber mir blieb keine Zeit, um ihn weiter auszufragen. Da mit Apolinar Estilos Tod das wichtigste Problem erledigt war, sagte ich:
»Estilo, du hast selbst entschieden …«
Dann schoss ich ihm zweimal ins Gesicht und machte mich aus dem Staub.
In dieser Nacht schlief ich kaum. Ich trank mehrere Gläser Whiskey und rauchte ein halbes Päckchen Zigaretten, bis ich endlich, wenn auch sehr spät, in einen kurzen Schlaf fiel.
Am nächsten Morgen fuhr ich mit der U-Bahn zum Retiro-Park. Davor hatte ich bereits Boris Iwanowitsch wissen lassen, dass Apolinar Estilo von nun an die Radieschen von unten betrachten würde. Boris nahm die Nachricht nicht besonders enthusiastisch auf – unterm Strich stand es ja nach wie vor 4:1 für unsere Gegner –, aber zumindest konnte mein Boss nun etwas ruhiger schlafen. Boris verlangte von mir Estiletes komplette persönliche Angaben. Natürlich wollte er auch dessen Familie ausfindig machen! Für Boris gehörte es nun einmal dazu, auch den engsten Vertrauten und Familienangehörigen des Killers eine klare Botschaft zu übermitteln. Da Estilo Einzelkind gewesen war und seine Eltern längst unter der Erde lagen, gelang es Boris nur ein paar Wochen später, zwei seiner entfernten Cousins zu exekutieren. Wie das Leben so spielt …
»Trägt Estilo die alleinige Verantwortung für die Verbrechen?«, wollte Boris außerdem von mir wissen.
Ich gestand ihm die Wahrheit: Ich wusste es nicht. Falls es sich bei den Verbrechen um einen persönlichen Rachefeldzug gehandelt hatte, wären die Morde nun zu Ende. Wenn Estilete ein Auftragskiller gewesen war, der von irgendwem bezahlt wurde, dann …
»Such weiter!«, befahl Boris.
Also rief ich als Nächstes Michail Gagarin an und fragte ihn, ob er mit dem Namen Apolinar Estilo etwas anfangen könne. Der vor hatte den Namen noch nie gehört.
»Dann setz dich mit den übrigen vory in Verbindung und stelle jedem von ihnen dieselbe Frage. Und: Michail, ich will keine Ausreden! Es geht um Leben und Tod. Wenn irgendjemand Kontakt mit Estilo gepflegt hat, wie entfernt auch immer, muss ich es sofort wissen.«
In weniger als einer Stunde hatte Gagarin mich zurückgerufen: ohne neue Ergebnisse. Kein einziger der vory , die an jenem unseligen Tag an der Plaza de la Paja mit uns zu Mittag gegessen hatten, zählte den toten Estilete zu seinem Bekanntenkreis oder zu seinen Feinden. Gagarin beglückwünschte mich in seinem eigenen und in Viktors Namen zu meinem triumphalen Sieg über Estilo … Bevor der vor zu Ende geredet hatte, legte ich auf.
Seine Worte machten mich nachdenklich.
Die Meteorologen hatten sich nicht geirrt. An diesem Tag schien über Madrids Himmel tatsächlich eine freundliche Frühlingssonne. Ich betrat den Retiro-Park durch den Torbogen des Nordeingangs und ging, ohne es besonders eilig zu haben, zum großen Wasserbecken. Von Weitem erspähte ich Cruz Navarro, wie sie unruhig am Becken hin und her ging. Sie war offenbar allein. Falls sich Kollegen von ihr unter die Besucher des Parks gemischt hatten, machten diese ihre Arbeit ganz hervorragend und erregten nicht die geringste Aufmerksamkeit.
Dann holten mich die Ereignisse der vergangenen Nacht wieder ein. Einen anderen Menschen umzubringen erfüllt einen im Inneren mit ungeheurer Leere (falls man sich einen Rest an Menschlichkeit bewahrt hat). Eine Grundregel lautet: Versuche, niemals dem letzten Atemzug eines Sterbenden beizuwohnen, dem letzten, heiseren Ausatmen, mit dem ein Mensch sein Leben aushaucht. Es verfolgt dich sonst ein Leben lang.
»Hallo!«, begrüßte ich Cruz.
Sie erwiderte meinen Gruß mit unterkühlter Miene. Die Hilfskommissarin machte einen erschöpften Eindruck. Sie sah schlechter aus als gewohnt.
»Lassen Sie uns einen kleinen Spaziergang machen«, sagte sie.
Ich zog mir das Sakko zurecht und schloss mich ihr an.
»Sie haben das Wort …«
»Mein Kollege Román Valls liegt auf der Intensivstation.«
Das hat gerade noch gefehlt! , dachte ich mir. Ein toter Bulle würde die Situation verkomplizieren.
»Was ist denn mit ihm?«, fragte ich.
»Die Druckwelle der Autobombe hat einen seiner Lungenflügel beschädigt. Wenn er stirbt …«
»Ich hoffe sehr,
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