Der Profi
Riesen an.
Nach einer Weile kam der Polizist aus der Küche wieder nach oben. Er hatte die Handflächen zu einem Kelch geformt, sodass ich ein wenig Wasser daraus trinken konnte. Dann hustete ich laut auf. Ich stand kurz vor einem Ohnmachtsanfall.
»Scheiße! Pass auf, dass er nicht bewusstlos wird!«, brüllte Rasputin nervös.
Daraufhin hörte ich die schnellen Schritte von jemandem, der die Stufen hinunterlief. Wenig später schüttete man mir kaltes Wasser in den Nacken. Aber auch das half wenig.
»Fuad …? Wie noch?«, bohrte Rasputin weiter.
»Fuad Gómez«, konnte ich gerade noch sagen. Danach gab ich meinen gesamten Mageninhalt von mir.
Fluchend sprang Rasputin zur Seite. Er machte einen letzten Zug an seiner Zigarette und drückte sie mir anschließend an der Gurgel aus. Um nicht laut losbrüllen zu müssen, biss ich mir fast die Zunge ab. Dann verstaute Rasputin den aufgerauchten Filter säuberlich in einer seiner Hosentaschen. Schließlich durften später am Tatort keine Spuren zu finden sein. Am Ende stand er auf und erteilte ohne lange Vorrede den Befehl, mich zu töten.
»Warte bitte«, entschlüpfte es mir. Ich war wie besessen von dem Gedanken, meine Exekution so lange wie möglich hinauszuzögern.
»Führ dich nicht auf wie eine Memme, Corsini, stirb wie ein Mann! Klingt ziemlich pathetisch, aber du weißt, was ich meine.«
Bevor Rasputin ging, öffnete er mein Sakko und prüfte, ob mein Handy noch eingeschaltet war. Er steckte es kommentarlos zurück in die Tasche. Dann gab er seinen Totschlägern ein paar letzte Anweisungen:
»Du da, du kümmerst dich sofort um die Adresse dieses Fuad Gómez. Ich brauch sie in spätestens einer Stunde, also beeil dich! Schalte dich auch mit Palacios kurz. Er soll dir eine Liste mit allen Daten schicken, die dieser kleine Araber in den Händen hat. Und du … du organisierst jemanden, der sich an die Fersen von dieser Navarro heftet für den Fall, dass der Hurensohn hier nicht die Wahrheit gesagt hat. Du dahinten weißt hof fentlich, was du mit Corsini zu tun hast … Aber warte auf jeden Fall noch zwanzig Minuten!«
Dann zogen alle ab außer dem Mann, der den Auftrag erhalten hatte, mir fünfunddreißig Gramm Blei ins Gehirn zu jagen. Das Kinn auf die Brust gesenkt, hörte ich, wie die Tür des Lofts zugeschlagen wurde. Kurz darauf wurde der Motor eines Fahrzeugs gestartet. Ich verlangte von dem Killer mit der Polizeimarke mehr Wasser.
»Du kannst mich mal«, erwiderte er.
Dann sah er auf die Uhr. Mir blieben noch zwanzig Minuten zu leben.
Man weiß nie, wie man reagiert, wenn man dem eigenen Tod ins Auge sieht. In meiner konkreten Situation gab es viele Dinge, über die ich in diesem Moment nachdenken konnte. Rasputin hatte sich als Meister des doppelten Spiels entpuppt: Er war gleichzeitig Verbrecher und Polizist, Zagoneks Vertrauensmann auf Lohnbasis und dessen Mörder. Warum aber hatte er Zagonek und die anderen umgebracht? Jemand musste ihn dafür bezahlt haben. Aber wer und weshalb? Rasputin hatte Palacios erwähnt. Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass der Besitzer des Pink Palace – und damit der Aufkauf der Bor dellkette durch MHI – die Initialzündung für die Morde an den vory gewesen war. Denk nach, Lucca …! Zagonek benutzte Rasputin , um Druck auf Palacios auszuüben, um sicherzustellen, dass dieser das Schutzgeld bezahlte, und um zu verhindern, dass die UDYCO sich in die Erpressungsversuche der Mafia einmischte. Vielleicht hatte Rasputin die Seite gewechselt? Vielleicht war der Betrag, den der Russe zahlte, nicht hoch genug, um Rasputins Loyalität zu sichern? Vielleicht hatte Palacios ihm viel mehr Geld geboten?
Aber über derlei nachzudenken hatte wenig Sinn, wenn ich in ein paar Minuten umgebracht werden sollte.
Fuad. Auch er schwebte jetzt in höchster Lebensgefahr. Allerdings muss ich zugeben, dass er in diesem Augenblick nicht meine Hauptsorge war. Ich musste erst einmal meine eigene Haut retten. Aber ich schwor mir, ihm zu helfen, wenn ich lebendig aus diesen vier Wänden herauskäme. Eine gute Tat! Manchmal muss man den Göttern eben ein Pfand bieten, damit sie einem selbst zur Seite stehen.
Der Polizist saß weiterhin auf seinem Stuhl, genau am Rand des oberen Stockwerks. Von dort aus hatte er auch den Eingang des Lofts im Blick für den Fall, dass ungebetene Gäste kämen. Er vertrieb sich die Zeit mit meiner Glock, seine Lederjacke hing über der Stuhllehne. Dann fing sein Handy an zu summen.
»Ja, Boss! Nein,
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