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Der Profi

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Titel: Der Profi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fernando S. Llobera
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Geländes auf circa einen Hektar. Das Anwesen stand ohne Zweifel unter polizeilicher Überwachung, weshalb ich mich vorsorglich mit Wollmütze und Schal ausstaffiert hatte. Eine ziemlich rudimentäre Verkleidung, das gebe ich zu. Aber ausreichend, um mich für spezielle, für lange Distanzen geeignete Teleobjektive unerkennbar zu machen. Ich fühlte mich in der Kluft wie ein Vollidiot, aber wenn ich dadurch ein paar Tage länger unentdeckt bliebe, hatte die Verkleidung ihren Zweck erfüllt.
    Ich wartete an der Sprechanlage, bis sich die Tür unter metallischem Klicken automatisch geöffnet hatte. Knirschend rollte mein Wagen über den Kiesweg ins Innere, während heiseres Hundegebell meinen Empfang begleitete. Links war offenes Feld zu sehen, auf der rechten Seite mehrere Hundezwinger und einen Trainingsparcours für Gagarins Köter, mit Hinderniswänden, ausgestopften Menschenpuppen und anderen Geräten zur Tierdressur. Ein klarer Hinweis darauf, dass es sich bei den Hunden, die hier trainiert wurden, um alles andere als zarte Pudel handelte.
    In der Tat erwarteten mich am Eingang zwei baumlange Männer nebst zwei zähnefletschenden Bestien, die mich ansahen, als wäre ich ein gut abgehangenes Steak. Die Männer begleiteten mich ins Haus, wir durchquerten eine Eingangshalle und stiegen eine Treppe ins Untergeschoss hinab, in einen Saal, den Gagarin als sein »Ruhezimmer« bezeichnete. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das mit der Ruhe auf den Mafioso bezog oder ob damit die »ewige Ruhe« der zahlreichen ausgestopften Tiere gemeint war, die die Wände schmückten: Antilopen, Löwen, Bären, Wildschweine, ein Fächerfisch, mehrere Haifischgebisse, daneben Geweihe kapitaler Hirsche und viele andere Tierarten, die ich noch nie gesehen hatte.
    Die Atmosphäre im Raum war von Zigarettenrauch geschwängert.
    »Lucca! Lucca Corsini! Ist mir große Ehre! Michail Gagarin … Für Freunde: Likhoi ! Ist halbe Ewigkeit her, seit wir uns letztes Mal gesehen.«
    Gagarin, kleinwüchsig und von gedrungener Statur, trug einen Nadelstreifenanzug im Diplomatenstil (ohne Krawatte), dazu weiße Schuhe. Mit der goldenen Halskette, die er über der entblößten Brust trug, hätte man problemlos eine mittelgroße Jacht vertäuen können. Dicht über seinen buschigen schwarzen Augenbrauen spross ihm das Haar weiß und borstig aus der Kopfhaut, was ihn plump und grobschlächtig wirken ließ. Er legte mir seine Hand fest auf die Schulter und schmatzte mir drei Küsse auf die Wange.
    »Oh, ich muss noch Partner vorstellen …«, sagte Gagarin, wobei er mich unterm Arm einhakte und zu zwei Individuen führte. Der eine der beiden war so groß wie Gagarin, der andere hochgeschossen und hager. Beide blickten mich feindselig an.
    »Das ist …« Er deutete auf den kleineren von beiden. »Steh schon auf, pizda ! Das ist Konstantin, wir sagen auch Kostya . Ist Finanzexperte. Aber pah …!« Gagarin machte eine herablassende Geste, als wolle er auf den Boden spucken. »Was Kostya macht, ist gadost , eh … Dreck! Zum Glück ist Lucca gekommen, um zu helfen. Da ?«
    Kostya bereitete die konstruktive Kritik an seiner Arbeit nur wenig Vergnügen. Er sah mich mordlüstern an, als trüge ich die Schuld an seinen Problemen. Schließlich streckte er mir, auf Gagarins Befehl, widerwillig die Hand hin. Er trug tadellos polierte Stiefel aus zweifarbig gestreiftem Krokodilleder.
    »Und das hier ist Pawel, wir nennen Paalka , ist Mann für Sicherheit!«
    Mit anderen Worten: Paalka war sein Mann fürs Grobe. Er schlug sich mit der rhythmischen Präzision eines Metronoms immer wieder mit einer Reitpeitsche gegen die Stiefel. Paalka war, wie schon erwähnt, so lang und dünn wie eine Bohnenstange. Er trug eine schlaffe Ponyfrisur, und sein Gesicht war von einer hässlichen Narbe verunstaltet.
    »Habe die Ehre, meine Herren!«, begrüßte ich die beiden.
    Gagarin amüsierte sich über die eisige Begrüßung, die mir seine Mitarbeiter entgegenbrachten.
    »Die kennst du noch nicht, was? Da , da … ich habe aus Ausland mitgebracht. Berlin. Weißt du, ich vertraue nicht Personen, die mit Viktor gearbeitet haben. Wenig Talent! Aber jetzt komm, trinken wir erst Schlückchen: am besten Wodka. Wie gute Russen!«
    Als die treibende Kraft von Viktor Stonowitschs Festnahme war ich in diesen Kreisen logischerweise kein besonders beliebter Gast. Gagarin führte mich zu einem roten Ledersofa und holte mehrere Schnapsgläschen aus dem Eisschrank. Er füllte sie mit Russky Standart

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