Der Profi
größer. Don Eleuterio war Gesellschafter des Unternehmens und gleichzeitig dessen Verwaltungschef, er hatte sein gesamtes Vermögen in Brown & McCombie investiert. Sein Plan war es gewesen, in zwei Jahren sämtliche Aktien abzustoßen und sich zur Ruhe zu setzen. Doch der bevorstehende Bankrott des Geschäfts würde auch ihn persönlich ruinieren.
»Hey, Ele! Mach schon, Junge, sonst kommen wir zu spät …«
Die Ermahnung kam von einem seiner Golfpartner, einem Aufsichtsratsmitglied einer großen spanischen Bank. Der hatte bestimmt keine Probleme. Wie denn auch? Die Bank fuhr jährlich Gewinne ein, die dem Bruttoinlandsprodukt eines kleineren Landes gleichkamen. Die spanischen Banken hatten die Finanz- und Wirtschaftskrise, die mit der US -Immobilienkrise ihren Anfang genommen hatte, elegant zu meistern verstanden. Mit ihren Reserven und der passenden Strategie konnten sie auch weiterhin an ihre Führungskräfte und Aufsichtsräte maßlos übertriebene Löhne zahlen.
Der Grund, warum Don Eleuterio an diesem Morgen so überstürzt das Kommissariat der Madrider Kripo aufgesucht hatte, war folgender: Tags zuvor hatte ihn am Spätnachmittag ein ausländischer Kunde mit einem Problem aufgesucht, einem »Dilemma« (so hatte sich sein Ge sprächspartner wörtlich ausgedrückt), das der Hilfe eines ausgezeichneten Unternehmensberaters bedurfte. Des besten Teams, das Brown & McCombie aufzubieten hatte! Es handelte sich um ein angehendes Geschäft von beachtlichem Umfang. Don Eleuterio erkundigte sich bei dem Kunden mit stockendem Atem nach den Einzelheiten, schon sah er die dicken Gewitterwolken vom Horizont abziehen. (Endlich hätte er wieder einen wichtigen Geschäftsvertrag an Land gezogen, den man den Bossen in den USA vorlegen konnte und der eine neuerliche Geldspritze aus dem Stammhaus rechtfertigte.) Als der Kunde jedoch zu erklären begann, worum es sich bei dem Ge schäft genau handelte, wurde Don Eleuterio schwind lig. Er verspürte dieses Stechen in der Brust. Er rechnete mit dem Schlimmsten. Sein Gesprächspartner redete eine halbe Stunde ununterbrochen auf einen zur Salzsäule erstarrten Eleuterio Zabaleta ein und streckte ihm zum Schluss die Hand entgegen, die Don Eleuterio nur zögernd schüttelte. Oder besser gesagt: Er empfing die Hand seines Gesprächspartners wie das haarige Bein einer Tarantel!
An jenem Tag spielte Eleuterio eine schlechte Partie Golf, und in der Nacht bekam er, von Schweißausbrüchen und Magenbrennen geplagt, kein Auge zu. Denn der Mann, der ihm im Büro gegenübergesessen hatte, war ein Boss der russischen Mafia. Seine Absicht: Ein Beratungsteam von Brown & McCombie sollte der Mafia dabei helfen, den Aufkauf einer an spanischen Autobahnen gelegenen Motelkette (oder schlichter ausgedrückt: eines Bordellrings) über die Bühne zu bringen. Nicht weniger als 150 Etablissements, verteilt über die gesamte Iberische Halbinsel, Kanaren und Balearen. Das Geld für die Operation stammte aus Drogengeschäften und Waffenverkäufen im Nahen Osten. Ein Vertrag, der zweifelsohne auf den Titelblättern großer spanischer Wirtschaftszeitungen wie Expansión und Cinco Día s seinen Niederschlag finden würde sowie reichlich Stoff für Nachrichtensendungen und Talkshows im Rundfunk bot. Die russische Halbwelt war der Hauptdarsteller, und Zabaleta sollte den Zeremonienmeister spielen. Mein Gott! Die Russenmafia! Autobahn-Puffs! Das konnte doch alles gar nicht wahr sein! Außerdem hatte der Mann ihm erklärt, dass man den Kaufvertrag im Namen fingierter Gesellschaften unterzeichnen würde, deren wahre Besitzer hinter Dutzenden von Strohmännern in Steuerparadiesen geschickt getarnt seien. Ein einziger mutiger Reporter oder ein gelangweilter Beamter aus einem Ministerium mit entsprechender Lust und Zeit reichten völlig aus, um seinen Ruf für alle Ewigkeit in Misskredit zu bringen und sein Leben für immer zu zerstören. Der Mafioso hatte ihn über die Einzelheiten seines Auftrags informiert, und zwar bis ins kleinste Detail wie beispielsweise die Herkunft des Geldes. Da war Zabaleta endgültig schlecht geworden.
Deshalb hatte er beschlossen, die Kripo aufzusuchen und alles zu gestehen. Von da an konnte er eigentlich nur noch beten, dass sein Auto nicht irgendwann vor seinem Haus explodierte. Aus diesem Grund war Don Eleuterio auch um drei Uhr morgens von Panik getrieben aufgewacht, hatte sein Bett verlassen und sich mehrmals im Badezimmer übergeben. Seine Frau schlief währenddessen tief und
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