Der Profi
doch etwas zu gewagt. Ich sah zu Gagarin, doch auch er wollte mir die Beschuldigungen der brigadiri nicht bestätigen.
Ich hielt die These für unwahrscheinlich, aber ich hatte keine andere Wahl, als der Sache nachzugehen. Später würde ich Brezneanu einen Besuch abstatten. Aber zuerst entschied ich mich für einen anderen Weg. Es war mir klar, dass dies Gagarin ganz und gar nicht in den Kram passte.
»Einmal abgesehen von den Rumänen, wer könnte aus unseren Reihen daran interessiert sein, dass …?«
»Nein, Lucca!«, fiel mir Gagarin ins Wort. »Ist völlig unmöglich …«
»Michail …«, sagte ich mit erhobener Hand. »Nehmen wir einmal an, jemand versucht, Viktor die Führung zu entreißen …«
»Kann nicht sein«, wiederholte dieser aufbrausend.
»Es wäre ja nicht das erste Mal, dass so etwas vorkommt, Michail. Die organitskaya ist vor internen Familienkriegen nicht gefeit.«
Gagarin presste die Lippen zusammen.
»Also …«, fuhr ich fort. »In Spanien gibt es viele vory . Ich brauche einen Namen!«
Gagarins Schweigen zog sich in die Länge.
»Timo …?«, wagte er schließlich anzudeuten. Da schrie Oberst Dratschew ihn an, er solle das Maul halten.
Gagarin sprang auf und brüllte los. Die Rangfolge der Mafia ist starr, und Ungehorsam wird darin nicht akzeptiert. Aber Oberst Dratschew war inzwischen stern hagelvoll und bot Gagarin einige Sekunden lang die Stirn. Ich konnte ihn verstehen: Gagarin war im Grunde ein Hampelmann und der Oberst, trotz all seiner Schwächen, ein kriegserfahrener und mit allen Wassern gewaschener Soldat. Der Eklat dauerte allerdings nur ein paar Sekunden, und auf meine Beschwichtigungsversuche hin nahmen beide schnell wieder Platz.
»Ich glaube, wir haben schon genug Probleme. Ihr braucht euch nicht auch noch gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Habe ich etwa nicht Recht? Wladimir Matewosoritsch Timofeew …«, sagte ich dann, wobei ich mir den Namen meines alten Bekannten auf der Zunge zergehen ließ.
Timofeew war mutig und entsprechend gewaltbereit. Ein verwegener Typ, so viel stand fest! Auch ich hatte bereits an ihn gedacht. Während ich schweigend vor mich hin grübelte, versprühte der zum Leibwächter degradierte Exoberst Funken des Hasses. Er leerte in einem Zug ein weiteres Glas mit Wodka und knallte es auf den Glastisch.
Dann sagte er zu Gagarin: »Warum unterhältst du dich überhaupt mit diesem mudack ?«
»Dratschew, benimm dich nicht wie dolboy’eb «, konterte einer seiner Kameraden.
Dass ihn jetzt auch noch seine Kameraden beleidigten, trug nicht gerade zur Verbesserung von Dratschews Laune bei.
» Pizda ! Müssen wir hier herumsitzen und diesem Verräter zuhören? Dieser mudack hat Viktor ins Gefängnis gebracht, jetzt will er uns Befehle erteilen. Was bildet er sich eigentlich ein?«, schrie er.
Dann richtete er den Blick auf mich:
»Wer versichert uns denn, dass du nicht der Mörder der vory bist? Vielleicht willst du nur Viktors Posten?« Dann wandte er sich an seine Kameraden: »Was glaubt ihr? Habt ihr einmal darüber nachgedacht? Nicht Timo ist der Mörder, er ist anständig, aber Corsini …«
Die Übrigen trauten sich nicht zu antworten. Dann stand der Oberst überraschend auf, taumelte und zog, allerdings sichtlich darum bemüht, auf niemanden von uns zu zielen, seine Waffe.
»Wir brauchen keine verfluchten Spaghettifresser, um innere Angelegenheiten von organitskaya zu lösen! Nyet , Gagarin, ich weigere mich, dass dieser italienische mudack sich das Recht nimmt, Befehle zu erteilen. Wir sollten ihn besser umbringen!« Dann richtete er seine Pistole auf mich.
»Halt’s Maul!«, fuhr Gagarin dazwischen. »Ich habe mit Boris Iwanowitsch gesprochen, und ich versichere euch: Es ist besser, Lucca Gehorsam zu leisten.«
»Nyet!«, kreischte der Oberst völlig außer sich. Er entsicherte seine Waffe.
Die Angelegenheit begann hässliche Züge anzunehmen. Da trat Gagarins Sicherheitschef, der Typ mit dem Spitznamen Paalka , mit seiner Kalaschnikow auf den Plan. Nach einem knappen Befehl seines Vorgesetzten durchlöcherte er den russischen Exoberst mit einer eindrucksvollen Gewehrsalve.
»Verdammte Scheiße, Gagarin!«, schrie ich, während ich mich aufrappelte. »Hast du völlig den Verstand verloren?«
Der Russe machte ein überraschtes Gesicht.
»Was hab ich denn gemacht?«
»Bei der Ehre deiner Mutter!«
Der Oberst tat noch einen letzten Seufzer und blieb dann zusammengerollt auf dem Boden liegen. Um ihn herum breitete sich
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