Der Profi
zuletzt im Regal irgendeines Supermarkts.
Mit dem zufriedenen Gefühl erledigter Pflicht kehrte ich nach Hause zurück. Mir blieb gerade noch genügend Zeit, um mich zu rasieren, kurz unter die Dusche zu gehen und eine Tasse Kaffee zu trinken (vorher hatte ich natürlich geprüft, dass niemand in der Gegend meines Apartments herumschnüffelte). Dann machte ich mich auf den Weg zu meiner Verabredung in Zagoneks Wohnung, wo ich meine Unterhaltung mit den Mafiastellvertretern fortsetzen wollte. Ich hoffte, dass unser Gespräch diesmal ergiebiger sein würde oder zumindest weni ger blutig! Zagoneks Wohnung lag im Stadtteil Mirasierra in der Nähe der Klinik La Paz . Ich parkte vor einem Gebäude aus rotem Ziegelstein inklusive Portierskabine und Wachpersonal. »Zur Wohnung von Señor Zagonek? Gehen Sie zu Eingang A, dort hinten entlang! Eine Tragödie, der Tod von Señor Zagonek …«, plauderte der Portier auf der Suche nach Ansprache gegen seine berufseigene Langeweile. Ich antwortete nicht.
Anschließend betrat ich den Eingang und fuhr im Aufzug in den fünften Stock. In der Tür empfing mich eine philippinische Hausangestellte. Sie bat mich herein und informierte mich höflich, dass man mich im Arbeitszimmer des toten vor bereits erwartete.
Eine schwarz gekleidete Frau, wahrscheinlich Zagoneks Witwe, lief mir über den Weg, ohne das Wort an mich zu richten. Im Arbeitszimmer traf ich meine Gesprächspartner dabei an, wie sie Kaffee und süße Teilchen frühstückten. Diesmal erhoben sie sich bei meiner Ankunft. Einem von beiden schwappte dabei fast der Kaffee über.
»Entspannt euch!«, raunte ich.
Ich war mies gelaunt, weil ich in der vergangenen Nacht kaum geschlafen hatte. Ich goss mir einen Kaffee aus der Thermosflasche ein und schnappte mir ein süßes Teilchen.
»Also, machen wir dort weiter, wo wir gestern Nacht aufgehört haben. Die entscheidende Frage ist: Warum wurden eure Bosse ermordet?«
Sie sahen sich mit halb in den Kaffee getauchten Teilchen gegenseitig an. Fast gleichzeitig murmelten sie: »Rumänen …« Ich seufzte auf.
»Blödsinn! Reden wir besser von Timo. Hatten Zagonek und Tamaew in letzter Zeit Kontakt zu Timo?«
Beide sahen mich mit leerem Blick an.
»Tamaew hasste Timo. Er sagte, dass …«
»… Timo ein mudack ist«, ergänzte ich den mir inzwischen allzu bekannten Begriff. »Haben sie in den Tagen vor ihrem Tod mit Timo gesprochen oder nicht?«
Ohne die Anwesenheit eines ranghöheren Mafioso fühlte sich der brigadir völlig hilflos. Ich befahl ihm, mir zu antworten.
»Ja, hatten großen Streit. Schreien am Telefon …«
»Um was ging’s dabei?«
»Weiß nicht. Private Sache. Geschäfte.«
»Kam es zu Drohungen?«
Der brigadir nickte.
»Ich verstehe. Es war also nicht gerade ein Gespräch zwischen Freunden!«, sagte ich zusammenfassend. »Welche Art von Drohungen waren das? Vergiss es – ich kann es mir denken. Aber was hat Timo im letzten Jahr so getrieben?«
»Viele Geschäfte … ganz Spanien. Andere vory sind nicht glücklich, er macht bizness in ihrem Gebiet. Vor allem Bausektor und Energie.«
»Energie?«
» Da . Sonne und Wind. Wie sagt man …?«
»Erneuerbare Energien?«
» Da .«
Timofeew hatte Solarparks in den Territorien anderer vory gebaut, und sie waren stinksauer auf ihn. Da hatte ich einen Einfall:
»Timos Anlagen haben in letzter Zeit nicht zufällig Sabotageakte erlitten?«
Sie sahen mich mit betretener Miene an, und ich fluchte laut: Sollten Tamaew und Zagonek etwa seine Windparks und Photovoltaik-Anlagen sabotiert haben, damit Timofeew keine lukrativen Subventionen mehr für erneuerbare Energien von der spanischen Regierung erhielt? Dann wunderte es mich nicht, dass er eine Riesenwut auf die beiden hatte. Aber sie deshalb gleich zu töten? Alles hing davon ab, wie viel Geld im Spiel war.
»Als Letztes …«, sagte ich, weil ich davon ausging, dass ich keine weiteren Informationen mehr aus ihnen herausbekam, »…brauche ich alle Terminplaner und schriftlichen Aufzeichnungen sowie Kopien der Daten, die sich auf den PC s eurer Bosse befinden!«
Mit meiner Bemerkung löste ich eine sonderbare Reaktion aus: Beide stammelten irgendwelche Ausflüchte und murmelten etwas von polizeilichen Durchsuchungen. Sie gaben mir zu verstehen, dass die Terminplaner, CD -Roms und andere Unterlagen ihrer Bosse nicht mehr verfügbar waren. Sie wollten sie mir nicht aushändigen. Bevor sie sich mit den Ausflüchten ihr eigenes Grab schaufelten, fiel ich ihnen
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