Der Profi
keine Antwort geben. Ich fragte ihn, ob es etwas mit Tschernekows Tod zu tun gehabt habe, ob dieser für ihn ein Konkurrent gewesen sei. Aber der brigadir versicherte mir mit trauriger Miene, dass sein Chef und der vor aus Mallorca gute Freunde gewesen seien und der Tod seines Kameraden, ein paar Tage zuvor, ihn schwer mitgenommen habe. Später war Zagonek samt Frau und Kindern zusammen mit zwei Leibwächtern in ihren frisch erworbenen Geländewagen deutschen Fabrikats eingestiegen und in ein Restaurant in der Sierra von Madrid gefahren. Dort hatten sie mehrere Teller gegrillter Gambas verputzt und drei Flaschen Wein sowie – in Ermangelung eines besseren Wodkas – mehrere Gläser Stolitschnaya getrunken. Das Gelage ging erst weit nach 23 Uhr zu Ende. Als sie zum Parkplatz kamen, erwartete sie dort ein in schwarze Ledermontur gekleideter Motorradfahrer mit zwei Uzis in den Händen! Der brigadir gestand, ihm sei keine Zeit geblieben, das Nummernschild des Motorrads zu notieren. In den darauffolgenden Stunden hatte er dafür mit kühlem Kopf gehandelt: Als sie von der Guardia Civil verhört wurden, war der Anwalt der Familie bereits zur Stelle. Er konnte verhindern, dass sie die Russen mit in die Kaserne nahmen. Nach Meinung der Guardia sollte Zagoneks Frau – die einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte – in einem Rettungsfahrzeug behandelt werden. Aber der Anwalt sorgte dafür, dass alle nach Hause zurückkehren konnten, und benachrichtigte den Leibarzt des vor . In den darauffolgenden Tagen hatten sie Besuch von Ermittlern unterschiedlichster Couleur erhalten. Unter anderem wurden – und zwar genau in dieser Reihenfolge – vorstellig: die Unter suchungseinheit zur Bekämpfung von Drogendelikten, ferner UDYCO , GRECO und Guardia Civil. Es blieben noch die Zeugenaussagen vor dem Richter, die für die nächste Woche anberaumt waren. Genug Zeit, damit der Winkeladvokat der Russen sich eine plausible, wenn auch wenig glaubwürdige Erklärung zurechtlegen konnte, um seine Mandanten zu schützen.
Dann bat ich den anderen brigadir , mir seine Erlebnisse zu schildern. Tamaew hatte sich mit seiner Liebsten zum wöchentlichen Schäferstündchen in einem kleinen Hotel in der Nähe der Alhambra getroffen. Zwei seiner Männer, darunter auch mein Gesprächspartner, ließ der vor in der Hotelcafeteria zurück, damit sie die ein und aus gehenden Personen kontrollierten. (Tamaew fühlte sich unter anderem auch deshalb unsicher, weil er seit geraumer Zeit vermutete, dass seine Frau ihn bei seinen Affären von einem Privatdetektiv beschatten ließ.) Es hatte ihm kaum etwas genützt. Der Killer führte Tamaews Wachposten an der Nase herum, drang in das Hotelzimmer ein und ermordete den vor von Granada und seine Geliebte mit jeweils einem Genickschuss. Seine Männer bemerkten das Ableben ihres Bosses erst, als mehrere Fahrzeuge der Nationalpolizei und ein Krankenwagen am Hotel vorfuhren. Da beschlossen sie, dass es am intelligentesten war, so schnell wie möglich vom Tatort zu verschwinden. Sie fuhren in die Villa ihres Bosses zurück, machten zuerst gute Miene zum bösen Spiel und riefen später Michail Gagarin an, um ihn um Hilfe zu bitten. Noch am selben Nachmittag setzte sich Tamaews Witwe mit ihrem Anwalt in Verbindung, um die Scheidung von ihrem Gatten in die Wege zu leiten. Sie wollte vermeiden, dass Tamaews Besitzungen an dessen Nachkommen übergingen und sie, sah man einmal vom Nutzungsrecht der Wohnung ab, bei der Sache leer ausging. Als der Jurist sie darüber informierte, dass es für eine Scheidung bereits zu spät sei, bekam sie einen hysterischen Anfall und musste ins Krankenhaus Los Hermanos de San Juan de Dios eingeliefert werden.
Zuletzt wandte ich mich an Oberst Dratschew, der mir relativ lustlos und nur in kargen Details die Vorfälle in der George-Sand -Siedlung schilderte. Von einem sadistischen Vergnügen getrieben, fragte ich ihn ein ums andere Mal, wie es dem Killer nur gelingen konnte, unentdeckt auf den Hügel nahe der Villa zu steigen, um von dort aus seinen Boss mit einem Granatwerfer zu beschießen. Zähneknirschend stand er mir Rede und Antwort.
»Genug …!«, sagte ich irgendwann. »Und … wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, eure Chefs als tote Männer zu sehen?« Angesichts ihrer ungläubigen Blicke musste ich etwas konkreter werden: »Eine Menge Leute, klar. Aber jetzt benutzt mal euren Grips: Ich meine, ob sie in den vergangenen Wochen irgendwelche direkten Morddrohungen erhalten
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