Der Profi
eine riesige Blutlache aus. Ich versuchte meine Fassung zurückzugewinnen und atmete tief durch.
»Hey, du da …«, sagte ich an Pawel gewandt, der weiterhin die rauchende Kalaschnikow in seiner Hand schwenkte. »Leg das Ding endlich weg und such nach einer Decke oder besser nach einer Plastikplane.«
Und an Gagarin gewandt, fuhr ich fort: »Irgendein Vorschlag, was wir jetzt mit dem da anstellen sollen?«
»Der wollte dich abknallen!«, rief Paalka. »Wir werfen in Fluss?«
»Nein, bloß nicht! Meine Güte … ich kümmere mich schon drum. Und euch beide …«, sagte ich zu den zwei Mafiosi, die mit einem Ausdruck des Schreckens ihren letzten Tropfen Wodka austranken, »sehe ich morgen in Zagoneks Haus. Und zwar um Punkt neun Uhr. Bemüht euch, diskret zu sein!«
Um das Zimmer wieder richtig sauber zu bekommen, brauchten wir geschlagene vier Stunden. Den Leichnam wickelten wir in einen Schlafsack, und den Boden und die Wände schrubbten wir mit Reinigungsmitteln und den stärksten Desinfektionsprodukten, die wir fanden. Später fuhren wir mindestens ein Dutzend Mal mit dem Staubsauger darüber. Außerdem reinigten wir die blutbespritzten Jagdtrophäen. Kurz und gut: Wir taten unser Bestes, damit nicht die geringste DNA -Spur übrig blieb.
Nun mussten wir uns noch mit Diskretion des Leichnams entledigen. Zusammen mit der Mordwaffe verfrachteten wir ihn in Gagarins Hummer. Ich überlegte eine Weile, dann kam mir eine zündende Idee.
Gegen vier Uhr morgens ließ ich den Hummer über den Kiesweg von Gagarins Villa rollen. Ich wartete, bis sich das Gittertor geöffnet hatte, und fuhr auf die Landstraße, wohl wissend, dass die Polizei mir an den Fersen hing. Ich betete, dass mich jetzt niemand zum Anhalten zwang.
Es gibt vier effiziente Wege, sich rasch einer Leiche zu entledigen: Erstens, man begräbt sie (vollständig oder zerstückelt) im Gebirge. Zweitens, man versenkt sie im Meer oder einer ähnlich großen Wassermasse, die tief genug ist. (Flüsse sollte man dabei auf jeden Fall vermeiden.) Drittens, man verbrennt sie – oder aber man bringt sie zu Benjamin Antoñales. Die erste Variante ist gefährlich, und mehr als einer hat ihre fatalen Konsequenzen in Kauf nehmen müssen: In den Bergen gibt es viele Sorten Beutetiere, die, vom Verwesungsgeruch angezogen, die Leiche wieder an die Erdoberfläche befördern und deren Überreste den Gerichtsmedizinern der Guardia Civil sozusagen auf dem Präsentierteller servieren. Für die zweite Variante braucht man eine Küste in der Nähe oder wenigstens einen Stausee. Mit den sterblichen Resten des Obersts im Wagen wollte ich die entsprechende Reise jedoch nicht antreten. Die dritte Variante erfordert einen Verbrennungsofen, der leistungsfähig genug ist, auch die geringsten Spuren des Toten in Asche zu verwandeln. Also entschied ich mich für die letzte Variante: Antoñales!
Doch vorher mussten wir noch dringend die Kugeln aus dem Körper des Obersts entfernen. Eine delikate Angelegenheit, da wir in Ermangelung chirurgischer Instrumente gezwungen waren, eine große Küchenschere dafür zu verwenden … (Die Dame des Hauses, Señora Gagarin, protestierte heftig.)
Sobald ich auf die Landstraße eingebogen war, entdeckte ich zwei Scheinwerfer, die uns verfolgten. Ich drehte ein paar Ehrenrunden in der Umgebung des Anwesens, bis ich völlig sicher sein konnte, dass der Wagen tatsächlich hinter uns her war. Dann leitete ich mein Abschüttelungsmanöver ein. Als Erstes fuhr ich Richtung Flughafen für den Fall, dass meine Verfolger über Unterstützung aus der Luft verfügten: Der ge sperrte Luftraum um den Flughafen von Barajas verbot Hubschraubern, sich diesem bis auf wenige Kilometer zu nähern. Diesbezüglich war von da an die Verfolgung zu Ende. Anschließend verließ ich die Zone der Terminals wieder und fuhr direkt in den Ortskern von Barajas. Dort konnte ich ordentlich beschleunigen und meine Verfolger abhängen. Ich stoppte den Wagen kurz, um zu prüfen, ob an dem Hummer irgendein Sendegerät angebracht worden war, womit man mich lokalisieren konnte. Doch ich stieß auf nichts Verdächtiges. Nach anderthalb Stunden Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei fuhr ich nun weiter nach Mejorada del Campo, einem Ort im Speckgürtel von Madrid, wo sich der Schrottplatz der Familie Antoñales befand. Tausende von Pkws, Motorrädern, Traktoren, Lkws, Kleinlastern und anderen Fahrzeugen fristeten hier ihre letzten Stunden, bevor sie zu Dosen für Erfrischungsgetränke
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