Der Prometheus-Verrat
hätte Solomon, meinem Fahrer, schon längst ein Zeichen geben sollen. Wir hatten verabredet, dass ich ihn sofort benachrichtige, wenn Sie aufkreuzen und für den Fall, dass er sie nicht kommen sieht. Und das hat er wahrscheinlich nicht, da Sie sich ja für einen Auftritt à la Harry Houdini entschieden haben.«
»Aber wieso melden Sie sich bei ihm? Um ihn wissen zu lassen, dass ich Ihnen nichts Böses antue?« Bryson zeigte sich verärgert. »Sie trauen mir nicht, stimmt’s?«
»Solomon passt auf mich auf.«
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, sagte Bryson.
Plötzlich war an der Eingangstür ein lautes Poltern zu hören.
»Haben Sie etwa abgeschlossen?«
Bryson nickte.
»Wer von uns beiden ist denn hier überargwöhnisch?«, höhnte Dunne. »Meine Güte, gestatten Sie mir, dass ich meinen verängstigten Fahrer beruhige.«
Dunne ging zur Tür, rüttelte am Vorhängeschloss und schüttelte den Kopf. »Alles in Ordnung«, rief er mit heiserer Stimme. »Keine Sorge.«
Von draußen meldete sich eine gedämpfte Stimme. »Sie werden verlangt, Sir. Wenn Sie bitte kurz kommen könnten …«
»Regen Sie sich ab, Solomon. Wie gesagt, hier ist alles in Butter.«
»Es geht um etwas anderes, Sir.«
»Um was denn?«
»Gleich nachdem Sie mich angepiept haben, kam ein Anruf. Über das Autotelefon, Sir, das, was nur in wirklich wichtigen Fällen klingelt.«
»Herrje«, stöhnte Dunne. »Bryson, wenn Sie so gütig wären …«
Bryson näherte sich dem Ausgang von der Seite, steckte den Schlüssel ins Schloss und zog die Pistole. Den Rücken an die Wand neben der Tür gelehnt, ließ er das Schloss aufspringen.
Dunne beobachtete ihn ungläubig und machte kein Hehl daraus, dass ihm nicht gefiel, was er sah. Kopfschüttelnd machte er die Tür auf. Davor stand tatsächlich der Afroamerikaner, den Bryson auch hinter dem Lenkrad der Staatskarosse hatte sitzen sehen. Solomon wirkte irritiert und fühlte sich offenbar unwohl in seiner Haut. »Tut mir Leid, wenn ich störe, Sir«, sagte er, »aber es scheint wirklich wichtig zu sein.« Er hatte die Hände an der Hosennaht und schaute seinen Boss an, ohne von Bryson Notiz zu nehmen, der sich neben der Tür an die Wand presste.
Dunne nickte gereizt und ging nach draußen in Richtung Limousine, gefolgt von seinem Fahrer.
Plötzlich wirbelte der Fahrer herum und sprang mit erstaunlichem Schwung durch die offene Tür, in der Rechten eine schwere Magnum.
»Was zum Teufel …?«, schrie Dunne und fuhr auf dem Absatz herum.
In dem Toilettenhäuschen krachte es ohrenbetäubend laut. Betonsplitter spritzten umher und prasselten auf Bryson ein, der nach rechts unten weggetaucht war, um der Kugel auszuweichen. Schlag auf Schlag folgten weitere Schüsse, trafen auf die Wand, in den Boden, verfehlten ihn nur um Haaresbreite.
Bryson hatte mit einem so ungestümen Angriff nicht gerechnet. Zur gezielten Gegenwehr blieb ihm keine Zeit. Der Chauffeur feuerte wie wild; sein Gesicht war wutverzerrt, geradezu animalisch. Mit vorgehaltener Waffe sprang Bryson nach vorn, als wieder ein Schuss explodierte, lauter noch als die anderen zuvor. Mitten in der Brust des Chauffeurs klaffte ein rotes Loch, aus dem Blut hervorspritzte. Der Mann sackte in sich zusammen, allem Anschein nach tot.
Harry Dunne stand nur fünf Schritt entfernt. Der Lauf seiner 45er Smith & Wesson war noch auf den Chauffeur gerichtet. Schmauch kroch aus der Mündung. Dunne wirkte wie benommen. Vor Entsetzen brauchte er eine Weile, bis er einen Ton herausbekommen konnte. »Allmächtiger«, stammelte er und hustete so heftig, dass er zusammenzubrechen drohte. »Allmächtiger Herr im Himmel.«
Zwölftes Kapitel
D as Licht im Oval Office war fahl und grau und ließ die ohnehin schon düster gestimmte Versammlung beinahe unheimlich wirken. Präsident Malcolm Stephenson Davis saß auf dem kleinen weißen Sofa der Sitzgruppe, wo er alle ernsteren Gespräche zu führen pflegte. In den Sesseln rechts und links hatten die Direktoren der CIA, des FBI und der NSA Platz genommen; unmittelbar zu seiner Rechten saß der Sonderbeauftragte für Fragen der nationalen Sicherheit, Richard Lanchester. Es kam nicht oft vor, dass sich die Herren in dieser Zusammensetzung hier versammelten anstatt, wie sonst üblich, im Kabinett, im Lageraum oder im Sitzungssaal des Nationalen Sicherheitsrates. Doch der außergewöhnliche Anlass der Zusammenkunft ließ den ungewohnten Rahmen als durchaus angemessen erscheinen.
Und der Anlass war allen
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