Der Prometheus-Verrat
FBI-Direktor nickte eifrig.
»Manche Journalisten behaupten aber, dass wir – die US-Regierung – diese Tragödie hätten verhindern können«, sagte der Präsident. »Ist an dieser Behauptung etwas dran?«
Einen unbehaglichen Augenblick lang blieb es still. Endlich ergriff der Direktor der NSA, Air Force Lt. Gen. John Corelli, das Wort und sagte: »Sir, es gibt Probleme bezüglich der Zuständigkeit. Das Gesetz verbietet unserer Behörde wie auch der CIA, in innerstaatliche Angelegenheiten einzugreifen, und dieser Anschlag ist eine solche.«
»Auch wir werden in unserer Arbeit durch Vorschriften und Bestimmungen behindert, Sir«, setzte FBI-Chef Faber hinzu. »Beispiel Lauschangriff: Ein solches Mittel dürfen wir
nur dann einsetzen, wenn die Beweislage ohnehin schon derartig eindeutig ist, dass es eines Lauschangriffs im Grunde gar nicht mehr bedarf.«
»Und was hat es mit dem Mythos auf sich, wonach die NSA ständig Telefongespräche, Faxe und Funksprüche abfängt?«
»›Mythos‹ ist das passende Wort, Sir«, antwortete NSA-Direktor Corelli. »Selbst mit den wirklich enormen Kapazitäten auf unserem Gelände von Fort Meade sind wir längst nicht in der Lage, alle im Ausland geführten Telefonate zu überwachen. Und Anrufe im Inland sind für uns tabu, wie Sie wissen.«
»Das ist aber auch gut so«, warf Dick Lanchester ein.
Der FBI-Direktor wandte sich ihm mit unverhohlen missbilligendem Blick zu. »Ach ja? Dann freut es Sie wohl auch, dass wir immer noch nicht in der Lage sind, verschlüsselte Botschaften via Telefon, Fax oder Internet zu überwachen.«
»Sie scheinen zu vergessen, dass unsere Verfassung ein kleines Kapitel mit der Überschrift ›Fourth Amendment‹ enthält«, bemerkte Lanchester trocken. »Es garantiert den Einzelnen das Recht auf Schutz vor staatlichen Übergriffen dieser Art …«
»Und wie steht es um das Recht auf Schutz vor Terroranschlägen in U-Bahn-Stationen?«, ereiferte sich CIA-Direktor James Exum. »Ich fürchte, die Bande, die dahintersteckt, schert sich einen Dreck um liberale Persönlichkeitsrechte.«
»Trotzdem«, beharrte Lanchester. »Die Amerikaner haben einen Anspruch auf ihre Privatsphäre und werden daran festhalten.«
»Dick«, sagte der Präsident. »Darüber ist lange und ausführlich genug diskutiert worden. Der Staatsvertrag wird in Kürze den Senat passieren, und dann werden wir eine Aufklärungsbehörde haben, die uns vor solchen Wahnsinnstaten schützt. Endlich.«
Lanchester schüttelte den Kopf. »Diese Behörde würde die Staatsgewalt um ein Vielfaches ausweiten und die bürgerlichen Freiheiten drastisch einschränken.«
»Nein«, widersprach der NSA-Direktor entschieden. »Sie wird allerdings für klarere Verhältnisse sorgen. Leider Gottes
dürfen wir ohne richterliche Anordnung keine Telefone anzapfen. Übrigens muss der GCHQ, unser britischer Gegenpart, ähnliche Restriktionen in Kauf nehmen. Richard, Sie scheinen zu vergessen, dass Deutschland womöglich den Zweiten Weltkrieg für sich entschieden hätte, wäre es den Alliierten nicht möglich gewesen, feindliche Nachrichten abzufangen.«
»Wir befinden uns nicht im Krieg.«
»Oh doch«, sagte der CIA-Direktor mit Nachdruck. »Wir stecken mittendrin im Krieg, einem Weltkrieg gegen den Terrorismus, und der hat offenbar zur Offensive geblasen. Sie schlagen doch nicht ernsthaft vor, dass wir uns ihm ergeben sollen …«
Ein Telefonapparat, der auf dem kleinen Tisch neben dem Sofa des Präsidenten stand, begann leise zu läuten. Jeder der Anwesenden ahnte, dass es sich nur um einen besonders dringlichen Anruf handeln konnte. Präsident Davis nahm ab. »Ja?«
Sein Gesicht wurde aschfahl. Er legte den Hörer wieder auf und blickte in die Runde. »Das war der Lageraum«, sagte er mit belegter Stimme. »Nahe dem JFK-Airport ist ein amerikanisches Passagierflugzeug abgestürzt.«
»Was?«, riefen mehrere der Männer gleichzeitig.
»In der Luft explodiert«, murmelte Präsident Davis mit geschlossenen Augen. »Knapp eine Minute nach dem Start. Es war nach Rom unterwegs. Von den 171 Passagieren und Besatzungsmitgliedern hat niemand überlebt.« Er führte beide Hände vors Gesicht und massierte mit den Fingerspitzen die Augenlider. Als er wieder aufblickte, schimmerten seine Augen feucht; aber sein Blick war fest und entschlossen. »Himmelherrgott, wir müssen etwas tun. Niemand soll mir später einmal nachsagen können, dass ich angesichts dieser terroristischen Umtriebe die Hände in der
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