Der Prometheus-Verrat
interessierten. In mühevoller Kleinarbeit überflog er Hunderte winziger Artikel in etlichen lokalen Gazetten, deren Papier häufig schon vergilbt und spröde war. Mitunter befiel ihn schiere Verzweiflung, denn es schien absolut aussichtslos zu sein, in diesen öffentlich zugänglichen Seiten Hinweise auf eine supergeheime Verschwörung entdecken zu können.
Aber er hielt durch. So auch Elena. Sie führte die Suche in Analogie zu ihrer Lauscharbeit beim Direktorat durch, hatte
sie ja auch dort die Aufgabe, aus einer Kaskade von Geräuschen und nutzlosen Informationen das eine verräterische, vielsagende Signal herauszuhören.
Rupert Vere hatte am Brasenose College in Oxford studiert und sein Studium mit Bestnote abgeschlossen; dass er von sich selbst behauptete, faul zu sein, war wahrscheinlich nur ein Bluff. Jedenfalls schien er ein Talent zur Freundschaftspflege zu haben. Ein Kolumnist des Guardian stellte fest: »… und darum reicht sein Einfluss über den formalen Amtsbereich weit hinaus.« Nach und nach fügte sich ein Bild zusammen: Außenminister Rupert Vere arbeitete seit Jahren still und leise daran, dem Abkommen für Überwachung und Sicherheit den Weg zu ebnen, indem er Freunde und Verbündete um sich scharte und politische Gegenleistungen einforderte. Dabei waren seine eigenen Auslassungen zu diesem Thema stets moderat. Dass er irgendwelche persönlichen Interessen verfolgte, trat an keiner Stelle zutage.
Schließlich stieß Bryson auf eine Information, die ihn aufmerken ließ, obwohl sie auf den ersten Blick äußerst trivial anmutete. Auf den gelben Seiten des Evening Standard war der Bericht über ein Ruderrennen zu lesen, das 1965 bei Pangbourne auf der Themse ausgetragen worden war und an dem die besten Teams aller britischen Sekundarschulen teilgenommen hatten. Vere ruderte damals als Sechstklässler für Marlborough. In dem Artikel, über dessen Lektüre Bryson zunächst fast eingeschlafen wäre, hieß es:
Bei den Pangbourne Junior Sculls konnten sich eine Reihe von Vierer- und Zweierbooten hervortun – vor allem der J18-Vierer der Sir William Borlase School, der die schnellste Tageszeit erzielte (10 Min. 28 Sek.). Nicht viel langsamer waren die Teams der J16-Klasse, allen voran der Doppelzweier des St. George College (10 Min. 35 Sek.) mit seinen starken Ruderern Matthews und Loake, die mit knappem Vorsprung vor Westminster einliefen. In beiden J14-Klassen hatte die Hereford Cathedral School die Nase vorn; der Doppelvierer war nach 12 Min. 11 Sek. im Ziel,
der Doppelzweier benötigte 13 Min. 22 Sek. Auch bei den Einern gab es in der Altersgruppe J16 einige hervorragende Ergebnisse. Rupert Vere aus Marlborough (11 Min. 50 Sek.) hatte im Ziel 13 Sekunden Vorsprung vor seinem Mannschaftskameraden Miles Parmore. David Houghton (13 Min. 5 Sek.) konnte seinen Verfolgern fast eine halbe Minute abnehmen. Vielversprechende Leistungen brachten in der MJ 16-Klasse auch Parrish von St. George’s (12 Min. 6 Sek.) und Kellman von Dragon School, die insgesamt das viert- bzw. fünftbeste Tagesergebnis erzielen konnten. Die jüngeren Jahrgänge fuhren ihre Rennen über eine Distanz von 1500 Metern. Dawson von Marlborough (8 Min. 51 Sek.) konnte das Rennen in der WJ13-Klasse für sich entscheiden und belegte unter allen Jungen und Mädchen unter 14 Jahren Rang fünf hinter Goodey, dem Sieger in der MJ13-Klasse.
Bryson las die Zeilen ein zweites Mal durch und fand auch durch andere Artikel bestätigt: Vere hatte für Marlborough und mit Miles Parmore in ein und demselben Team gerudert.
Ja. Der britische Außenminister und MP von Chelsea war ein langjähriger Sportsfreund von Lord Miles Parmore.
Hatten Elena und er ihren Mann gefunden?
Der Palast von Westminster – besser bekannt als Houses of Parliament – war vom Stil her in seiner Verbindung aus althergebrachten und modernen Elementen eine typisch britische Institution. Schon zu Zeiten des Wikinger-Königs Canute hatte an dieser Stelle ein Palast gestanden. Edward der Bekenner und William der Eroberer hatten ihn im 11. Jahrhundert nach dem antiken Vorbild königlicher Großzügigkeit und Prachtentfaltung weiter ausgebaut. Kontinuität zeigte sich im Äußeren so real wie die Magna Carta; noch deutlicher aber traten die historischen Brüche in Erscheinung. Mitte des 19. Jahrhunderts war das Bauwerk endlich so weit fertig gestellt worden, wie es sich heute noch darstellt – als architektonische Glanzleistung
auf der Höhe des Gothic Revival, als die
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