Der Prometheus-Verrat
ja die Wahrheit!«, schrie Niccolo mit verängstigtem Blick auf Friaulisch.
»Das muss ganz klar zwischen uns sein«, erwiderte Bryson ungerührt.
»Aber ich weiß nicht, wer uns angeheuert hat. Die Methoden sind heute nicht anders als damals, als wir für Sie gearbeitet haben. Wir sind die mus , die nützlichen Esel. Uns sagt man nichts.«
Bryson schüttelte den Kopf und setzte eine grüblerische Miene auf. »So dicht schließt kein Deckel, dass nicht wenigstens ein paar Tropfen durchsickern. Das weißt du so gut wie ich. Selbst wenn du’s mit einem Pappkameraden zu tun hast, kennst du zumindest seinen Decknamen. Du kommst gar nicht umhin, die eine oder andere Information aufzuschnappen. Mag sein, dass sie dir nicht sagen, warum du diesen oder
jenen Job zu tun hast, aber sie werden dir sagen wie , und dieses Wie verrät schon allerhand.«
»Ehrenwort, wir haben keine Ahnung, wer unsere Auftraggeber sind.«
Bryson legte mehr Nachdruck in seine Stimme und sprach mit kontrollierter Wut. »Ihr arbeitet im Team, das von einem Teamchef angeführt wird. Euch sind Instruktionen erteilt worden. Kollegen reden. Du weißt verdammt genau, wer euch angeheuert hat.« Er wandte sich dem Kirchenschiff zu, als wollte er ein Signal geben.
»Nein!«, schrie Niccolo.
»Dein Bruder …«
»Mein Bruder hat selbst keinen blassen Schimmer. Was er Ihnen auch gesagt hat, Fakt ist, er weiß nichts . Sie wissen doch, wie das läuft: Der eine weiß vom anderen nichts. Wir sind nur die Hilfskräfte und werden in bar ausgezahlt.«
»Sprache!«
» Che? Sprache?«
»Das Team, mit dem ihr hier seid. In welcher Sprache verständigt ihr euch?«
Niccolos Augen funkelten wild. »Mal in der einen, mal in der anderen.«
»Der Team chef !«
»Russisch«, brüllte er verzweifelt. »Er ist Russe.«
»KGB, GRU?«
»Was weiß ich?«
»Du kennst Gesichter!«, zischte Bryson. Und quer durch den Raum rief er: »Layla?«
Layla durchschaute sein Spiel und kam näher. »Soll ich lieber den Schalldämpfer aufschrauben?«, fragte sie betont sachlich.
»Nein!«, schrie Niccolo auf. »Ich sag doch, was Sie wissen wollen.«
»Ich gebe ihm noch eine Minute«, antwortete Bryson. »Wenn er mich dann immer noch nicht zufrieden gestellt hat, drückst du ab. Ja, ein Schalldämpfer wäre nicht schlecht.« Und an Niccolo: »Man hat euch für diesen Job eingespannt, weil ihr mein Gesicht kennt.«
Niccolo schloss die Augen und nickte.
»Es war bekannt, dass ihr früher für mich gearbeitet habt. Sie werden euch nicht beauftragen, euren alten Chef zu töten, ohne plausible Gründe zu nennen. Euch ist also gesagt worden, dass ich ein Überläufer bin, ein Verräter, stimmt’s?«
»Ja.«
»Und wen, welche Seite soll ich verraten haben?«
»Es wurde nur gesagt, dass Sie die Namen von Agenten verkaufen, dass Sie uns und alle, die je mit Ihnen zusammengearbeitet haben, ans Messer liefern.«
»An wessen Messer?«
»An gegnerische Parteien … mehr weiß ich nicht; mehr ist uns nicht gesagt worden.«
»Aber du hast ihnen geglaubt.«
»Warum hätte ich daran zweifeln sollen?«
»Ist ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt oder gibt’s nur das Übliche für einen solchen Job?«
»Ja, ein Kopfgeld.«
»Wie viel?«
»Zwei Millionen.«
»Lire oder Dollar?«
»Dollar! Zwei Millionen Dollar .«
»Ich bin geschmeichelt. Du und dein Bruder, ihr hättet euch in eure Berge zurückziehen und nach Herzenslust cinghiale jagen können. Das Problem einer Kopfgeldprämie ist allerdings, dass sie jeglichen Teamgeist verloren gehen lässt. Jeder will der Erste sein. Schlechte Strategie; so schadet man sich nur selbst. Der Bärtige, war er der Teamchef?«
»Ja.«
»Er hat Russisch gesprochen?«
»Ja.«
»Kennst du seinen Namen?«
»Nicht direkt. Aber ich hab gehört, dass ihn jemand Miljukow genannt hat. Und ich hab ihn früher schon mal gesehen. Er ist einer wie wir und nimmt Gelegenheitsaufträge an.«
»Freiberufler?«
»Es heißt, dass er für einen russischen Tycoon arbeitet, für einen der reichsten und mächtigsten Männer des Landes. Es heißt, dass er alle Fäden in der Hand hält und der heimliche Zar von Russland ist.«
»Prischnikow.«
Die Miene des Italieners verriet, dass er den Namen schon einmal gehört hatte. »Kann sein, ja.«
Prischnikow. Anatoli Prischnikow. Gründer und Präsident des undurchsichtigen Konsortiums Nortek. Unvorstellbar reich und in der Tat die eigentliche Macht hinter den Kulissen des Kreml. Brysons Herz legte einen Schlag zu.
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