Der Prometheus-Verrat
vorenthalten können . Er nahm das Medikament entgegen und spülte es mit Wasser herunter.
»Mir scheint, Sie sind mit Ihren Gedanken ganz woanders«, sagte Layla und packte das Verbandmaterial zusammen. »Sie machen sich Sorgen, stimmt’s?«
Bryson blickte auf und nickte. Seit Elenas Verschwinden vor etlichen Jahren teilte er erstmals wieder ein und dasselbe Zimmer mit einer wunderschönen Frau – auch wenn er, wie vereinbart, ganz züchtig auf dem Sofa und sie im Bett schlafen würde. Trotz mancher amouröser Gelegenheit hatte er sich in Enthaltsamkeit geübt, als eine Art Buße für das, was Elena dazu gebracht hatte, ihn zu verlassen.
Aber welchen Anlass hatte er ihr eigentlich gegeben?
Wie viel von ihrem gemeinsamen Leben war, so fragte er sich, von anderen, namentlich von Ted Waller, inszeniert worden?
Und er dachte zurück an jenes eine, einzige Mal, dass er sie belogen und ihr etwas verheimlicht hatte, wenn auch nur, um sie zu beschützen. Waller hätte in dem Zusammenhang William Blake zitiert: »Ist uns der Blick genommen, sind wir geneigt, einer Lüge zu glauben.«
Elena hatte nicht sehen, nicht wissen sollen, was er für sie getan hatte.
Jetzt rief er sich jenen Abend in Bukarest ins Gedächtnis zurück, über den er sie im Unklaren gelassen hatte.
Wo lag die Wahrheit?
Die Unterwelt der Spezialisten für verdeckte Operationen ist im Grunde ziemlich klein. Neuigkeiten haben sich schnell herumgesprochen. Über mehrere verlässliche Quellen war Bryson zugetragen worden, dass eine Gruppe von ehemaligen, als »Ausputzer« berüchtigten Securitate-Leuten sehr viel Geld auslobte für Hinweise, die zur Ergreifung eines gewissen Dr. Andrei Petrescu führten, jenes Mathematikers und Kryptologen, der die Geheimcodes der Regierung Ceauşescus und damit die Revolution des rumänischen Volkes verraten hatte. Unter den früheren Mitgliedern des Geheimdienstes
herrschte große Verbitterung über den Staatsstreich und die Auflösung des alten Machtapparates. Sie waren entschlossen, die Verantwortlichen für ihre Niederlage zur Strecke zu bringen, gleichgültig, wie hoch der Preis dafür sein und wie lange es dauern würde. Ziel ihrer Rache waren neben Petrescu noch etliche andere »Wendehälse«. Mit ihnen war noch eine Rechnung zu begleichen.
Über einen namenlosen Verbindungsmann ließ Bryson ein Treffen in Bukarest mit dem Chef der Ausputzer, der ehemaligen Nummer zwei in der Hierarchie der Securitate, vereinbaren, und zwar mit der Begründung, dass er, Bryson – das heißt seine über jeden Zweifel erhabene Undercover-Identität – , Informationen anzubieten habe, die für die Ausputzer von großem Interesse seien. Er werde nachweislich allein zu diesem Treffen erscheinen; der Securitate-Mann solle ebenfalls auf Begleitung verzichten.
Bryson war rein persönlich an dieser Sache interessiert gewesen und hatte Vorbereitungen getroffen, ohne das Direktorat darüber zu benachrichtigen. Ein solches Treffen wäre nie gebilligt worden; mögliche negative Folgen waren allzu wahrscheinlich. Doch Bryson hielt an seinem Plan fest. Die Sache war wichtig für Elena, also auch für ihn. Nach dem Abschluss einer Mission in Madrid teilte er der Zentrale mit, dass er sich für ein verlängertes Wochenende in Barcelona entspannen und erholen wolle. Dem Wunsch wurde entsprochen, zumal Bryson schon lange keinen Urlaub mehr genommen hatte. Was er vorhatte, verstieß zwar gegen alle Regeln des Direktorats, aber ihm blieb keine andere Wahl. Es musste geschehen. Unter einem frei erfundenen Namen, der in keiner Datenbank des Direktorats auftauchen würde, kaufte er sich ein Flugticket, das er in bar bezahlte.
Auch Elena erzählte er von seinem Vorhaben nichts. Sie in dieser Hinsicht zu täuschen, war besonders wichtig, denn sie hätte es nie geduldet, dass er sich mit dem Anführer derer traf, die ihrem Vater nach dem Leben trachteten. Zum einen hätte sie seinen Plan für viel zu gefährlich gehalten; zum anderen war sie erklärterweise strikt dagegen, dass er sich auf eigene Faust für ihre Eltern stark machte. Sie hatte Angst
davor, ins Hornissennest der Securitate zu stechen, deren Rache zu schüren und am Ende nicht nur die Eltern, sondern auch den Mann zu verlieren. Wäre es nach ihr gegangen, hätte er diese Verabredung nie getroffen. Bislang hatte er ihre Wünsche immer respektiert. Doch diesmal wollte er die Gelegenheit, die sich ihm bot, nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Er traf sich mit dem
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