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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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ein paar Worte über sie: Korrekte Mitarbeiter, sehr genau, geradezu pedantisch, aber in der Wissenschaft ist das eine Tugend.
    „Kollegin Falk“, sage ich, „was hat Doktor Bresson untersucht?“
    „Nun ... was.“ Sie sieht mich an. „Dasselbe wie wir alle. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Thema – die Abwehrreaktion bei Organverpflanzungen. Sie wissen, das ist ein Problem. Da werden Herzen und Nieren verpflanzt, und der Organismus stößt sie ab. Die Abwehrreaktion muss unterdrückt werden, dafür sind auch die Bestrahlungen… Doch wenn der Organismus bestrahlt wird, sinkt die Immunität so weit, dass der Mensch an einem ganz gewöhnlichen Infekt sterben kann.“
    „So etwas wie die alte Geschichte. Zwischen Scylla und Charybdis, ja?“
    „So ungefähr. Ja, also… wir haben alle ein gemeinsames Thema, gehen es nur von verschiedenen Seiten an. Und es ist nichts Neues. Was wir machen, ist in allgemeinen Zügen bekannt. Ein paar Details, ein paar Einzelheiten, und in der Hauptsache bereiten wir uns auf unser Zentrum für Organverpflanzungen vor. Wir entdecken nicht Amerika.“
    Es ist an der Zeit, einen Gedanken einzuwerfen, der mich beschäftigt.
    „Sehen Sie“, sage ich, „wäre es möglich, dass jemand eine Entdeckung macht? Eine kleine, unbedeutende, aber dass er sie vor seinen Kollegen geheim halten will?“
    Doktor Hanna Falk lächelt skeptisch. Die Fältchen um ihre Augen zucken.
    „Ich sehe, dass Inspektoren auch Fantastik lesen! Was denn für eine Entdeckung? Alles wird dokumentiert und besprochen, alles zur Kenntnis genommen und protokolliert… Kollege Bouché, heutzutage ist es in der Wissenschaft so, dass jedes Thema, selbst das kleinste, die Anstrengungen vieler Leute erfordert.“
    Sie führt weiter aus, dass die Wissenschaft inzwischen von Teamwork betrieben werde und es keine zufälligen Entdeckungen mehr gebe. Jeder Schritt werde durch geduldige, gemeinsame Arbeit vieler vorbereitet.
    Mit manchen bin ich einverstanden, mit manchen nicht. Offenbar bin ich ein unverbesserlicher Dogmatiker und glaube immer noch an die aussterbende Rasse der einsamen Wissenschaftler. Mit der praktischen, irdischen Kollegin Falk kann ich mir da nicht einig werden. Deshalb esse ich auf, was auf dem Tablett noch übrig ist, und gehe zu einem anderen Punkt über.
    „Kollegin Falk, eine heikle Frage. Und ich stelle sie nicht aus plumper Neugier.“
    „Ja?“
    „Gab es eine Frau in der Nähe von Doktor Bresson?“
    „N-nicht, dass ich wüsste“, weicht Doktor Falk aus. Ein augenblickliches Zögern, doch ich packe zu und hake ein.
    „Die Wahrheit, bitte! Das ist inzwischen nicht mehr für ihn von Bedeutung, sondern für eine Menge anderer Leute. Sagen Sie, was Sie eben gedacht haben.“
    „Ich dachte ... nein, nichts von Belang. Sie wissen, ein Mann allein…“ Sie zögert wieder, dann fährt sie entschlossen fort: „Also gut, wenn Ihnen soviel daran liegt. Mir scheint, dass ist Frega Norberg – ich habe Ihnen gesagt, wer das ist – einen gewissen Einfluss auf ihn hatte.“
    „Inwiefern?“
    „Nun eben… wie jede schöne Frau. Aber weiter nichts, verstehen Sie mich nicht falsch. Doktor Bresson war ein seriöser Mann.“
    „Ich verstehe Sie nicht falsch. Es hätte mich gewundert, wenn es keine Frau in seiner Nähe gegeben hätte.“
    Über Frau Doktor Falks Hals kriechen zwei rote Flecke.
    Es wird Zeit, das Thema zu wechseln.
    „Und eine letzte Frage“, sage ich. „Litt Doktor Bresson an irgendeiner Krankheit? Klagte er über etwas?“
    „Ob er an einer Krankheit litt?“ Doktor Falk hebt die Brauen. „Nein… Nur interkurrente Erkrankungen.“
    In der Medizin wimmelt es von solchen Wörtern. Interkurrent, kryptogen, idiopathisch … Wörter, hinter denen sich das Nichtwissen geschickt versteckt und die nichts bedeuten, oder genauer gesagt, sie bedeuten so etwas wie „hinzukommend“, „verborgen“, „innerlich“. Doch was auch immer, Doktor Bresson hat nicht über Herzbeschwerden geklagt. Es hat keine Infarktvorzeichen gegeben, die dieses Halbprotokoll bei Öberg andeutet.
    Und ich denke an das, was ich im Schreibtisch und dem Kästchen mit der Stichzeichnung gesucht und nicht gefunden habe: Nitroglyzerin, ein Medikament, das jeder Infarktkandidat bei sich hat. Bresson hatte kein Nitroglyzerin.
    Ich finde, dass ich genachtmahlt und, was wichtiger ist, einige Dinge geklärt habe. Doktor Falk hat ihren Antikaffee längst ausgetrunken. Das junge Pärchen am Tisch neben uns flüstert immer

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