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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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noch und hält sich an den Händen.
    Wir stehen auf, und ich begleite sie nach Hause. Draußen ist das Stimmergewirr ein bisschen leiser geworden. Die geparkten Autos stehen brav an den Straßenrändern, über ihre lackierten Rücken wandert der blaue und orangerote Widerschein der Leuchtwerbung. Wir gehen und reden von belanglosen Dingen – von der Stadt, vom Herbst. Bald wird es sich abkühlen. Hier ist der Winter mild, aber lang.
    Plötzlich sagt Doktor Falk: „Wissen Sie… ich wollte Sie fragen… Darf ich?“
    „Aber natürlich!“
    „Stimmt das, was in der Zeitung stand? Dass er von sich aus auf den Laster zugefahren ist? Er hat ihn bemerkt… und trotzdem?“
    Ich bemühe mich, den passenden Ton zu wählen.
    „Ich weiß nicht, ob er ihn bemerkt hat.“
    „Denn wenn es stimmte“, fährt Doktor Falk fort, „würde das heißen, dass Yanis Bresson Selbstmord begangen hat.“
    Wir gehen langsam die Straße entlang, ich antworte nicht sofort.
    „Er hat sich nicht selbst umgebracht. Und war nicht betrunken.“
    „Er hat sehr an seiner Tochter gehangen“, sagt Doktor Falk wie zu sich selbst. „Er konnte keinen Selbstmord begehen.“
    Über ihr Gesicht huschen rote und gelbe Schatten und verändern es jeden Augenblick. Dieses kalte, metallische Licht macht es hart und streng, wie es in Wahrheit nicht ist.
    „Sehen Sie“, sage ich, „ich habe eine Bitte. Morgen muss ich mir das Labor von Doktor Bresson im Institut ansehen. Doch zuvor würde ich Sie bitten, allen unseren Landsleuten zu sagen, dass Sie einen Teil von Doktor Bressons Untersuchungen wiederholen werden. Insbesondere die vom letzten Monat.“
    Sie verhält den Schritt. „Ich weiß nicht, wie… Ist das zulässig?“
    „Warum nicht? Ich habe, wenn nötig, Vollmachten. Aber besser, es geht von Ihnen aus, das würde es mir sehr erleichtern.“
    „Gut“, willigt Doktor Falk ein, „ich spreche mit einem der Prodekane. Wann kommen Sie?“
    „Gegen Mittag.“
    Vor der Tür der Pension bleibt sie stehen und erklärt mir den Weg zum Institut. Es befindet sich nicht hier, bei der Universität, sondern drüben, auf der anderen Seite des Hafens.
    „Machen Sie sich keine Sorgen“, sage ich. „Das ist ja mein Beruf – mich zurechtzufinden. Bis morgen.“
    „Bis morgen.“
    Sie geht in die Pension, und ich ziehe einen kleinen Stadtplan aus der Tasche, um mich zu orientieren. Ich überlege, was ich unternehmen soll, danach betrachte ich wieder den Plan. Eigentlich hatte ich vor, diesen Lundgren von der Zeitung morgen aufzusuchen, mache mir jetzt aber klar, dass die „Krongatan Tidningen“ eine Morgenzeitung ist. Folglich werde ich da morgen niemanden antreffen, die arbeiten nachts. Freilich ist die Wahrscheinlichkeit auch jetzt nicht groß, einen eifrigen Journalisten in der Redaktion anzutreffen, aber ich kann es ja versuchen.
    Ich bleibe an der Straßenecke stehen und halte ein Taxi an.
    4. Der Reporter Erik Lundgren
     
    Die „Krongatan Tidningen“ ist ein typisches Provinzblatt mit seiner patriarchalischen Atmosphäre, die man schon an der Tür spürt. Ich kenne solche Redaktionen. Der Pförtner, der mich empfängt, ist wahrscheinlich schon seit zwanzig Jahren derselbe und als Pförtner alt geworden, der Metteur, der einen Packen Korrekturen in der Hand trägt und die Brille auf die Stirn geschoben hat, sieht aus wie tausend Metteure in der ganzen Welt. Der Beruf prägt das Aussehen des Menschen.
    Es riecht durchdringend nach Druckerschwärze, ein Geruch, der in meinem Bewusstsein ständig mit Schlagzeilen und großen, noch feuchten Zeitungen verbunden ist. Man zeigt mir einen Korridor, danach eine Treppe.
    Oben reihen sich auf der ganzen Länge des anderen Korridors Glaskäfige aneinander wie Bienenwaben. In allen gibt es Schreibtische, Telefone und Leute, die nervös in die Telefone schreien. Blendend weißes Licht flimmert auf den mit Schlagzeilen und Fotos beklebten Wänden. Es ist, als ob die Spannung die Luft zum Flimmern bringt.
    Ich irre zwischen den Käfigen umher, frage erfolglos, bis ein Junge schließlich begreift, dass ich nicht den Chefredakteur suche (offenbar suchen alle ihn!), sondern Herrn Lundgren.
    Herr Lundgren ist im Nacht-Klubcafé gegenüber. Um diese Zeit sei er immer dort. Über die Straße, zwei Schritte.
    Während ich den Weg zurückgehe, fängt in der Nähe eine Rotationsmaschine zu stampfen an, zunächst mit Unterbrechungen, danach gleichmäßig. Die Fensterscheiben klirren leise. Das ist der Augenblick, wo es

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