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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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und packe die Fotos weg. Allzu geschärfte Sinne und Müdigkeit verhindern konzentriertes Denken.
    Das Wichtigste ist, das Motiv für den Mord herauszufinden. Das, was Bresson gewusst hat und mit ihm begraben werden sollte.
    Ich stehe auf und versuche, mir die Aufeinanderfolge der Ereignisse an jenem Abend vorzustellen. Da hat er also dort am Schreibtisch gesessen, hat im gelben Lichtkreis der Lampe Zeitschriften aufgeschlagen, die vollgeschriebenen Blätter in der Maschine ausgewechselt. Dann hat er auf die Uhr geschaut und ist aufgestanden.
    Sein Auto war unten geparkt, mit der totbringenden Ampulle in der Lüftung. Hat er geahnt, dass man hinter ihm her war? Wohl kaum. Er ist durch die Stadt gefahren und dann auf die Straße nach Garvaregarden gekommen, Kurve auf Kurve.
    Als er die Stadt hinter sich gelassen hatte, begann es zu nieseln und feine Tröpfchen besprühten die Frontscheibe.
    Und dort auf der Straße war alles schon bereit. An den Felsen hat mit ausgeschalteten Lichtern das andere Auto gestanden – nur ein Schatten. Aber ein Schatten, der durch Funk die Reaktion der todbringenden Ampulle ausgelöst hat. Bresson hat das Auto gar nicht bemerkt. Er fuhr vorbei, und in einem der folgenden Augenblicke ist die Ampulle zerplatzt, Ein leises Knacken, das im Motorengeräusch unterging.
    Dann der Schmerz. Ein unwahrscheinlicher, unerträglicher Schmerz, wie ein Messerstich in die Brust. Ein Schmerz, der jede Körperzelle durchdringt, der lähmt und den Atem benimmt. Eine plötzliche Angst, die das Bewusstsein überflutet und einem in die Ohren schreit, dass man verloren ist, dass dies der Tod ist. Zum Denken bleibt keine Zeit, auch nicht zum Handeln. Nur eine letzte Sekunde, in der der getrübte Blick große, blendende Scheinwerfer wahrnimmt.
    Den Zusammenstoß hat er nicht gehört, er war schon jenseits der dünnen Grenzlinien, die uns vom Nichts trennen.
    Es ist, als erlebte ich hier im Sessel alles selbst, jede Einzelheit.
    Und der im dunklen Wagen auf dem Parkplatz hat das Seitenfenster heruntergelassen und gehorcht. Er hat darauf gewartet, das scharfe Krachen, das scheußliche Klirren des splitternden Glases zu hören. Und die Todesstille danach.
    Eine Stille, die ihm mehr als alles andere gesagt hat, dass es ihm geglückt war.
    Hinterher? Was hat er hinterher gemacht? Hat er es riskiert, durch die Kurve zu fahren und sich zu überzeugen? Oder hat er einfach aufs Gas getreten, und die Dunkelheit hat ihn verschluckt?
    Was sich da im einzelnen zugetragen hat, werde ich wohl kaum erfahren. Und eine weitere Möglichkeit darf ich auch nicht außeracht lassen. Er, der andere, war unruhig. Er hat etwas ausgeforscht, was mit Bresson zusammenhing. Vielleicht hat er sich zum Mord entschlossen, um es zu bekommen, Dann…
    Dann wird er handeln. Er wird den Unfall ausnutzen, um zu Hilfe zu eilen, den toten Bresson aus dem Auto zu bergen. Und in den paar Minuten, die er zur Verfügung hatte, alles durchsehen, was Bresson bei sich hatte.
    Die beiden Männer auf dem Foto? Absurd. Es würden neue Zeugen hinzukommen, die Polizei eintreffen – wie sie ja auch eingetroffen ist! – und alle würden aussagen müssen. Die Namen würden in Protokollen festgehalten. Aus einer Falle für Bresson würde der Unfall eine für die Mörder. So würde niemand handeln.
    Trotzdem beherrscht mich weiter das Gefühl, dass sich nach dem Unfall dort an der Kurve noch etwas abgespielt hat, das für mich wichtig ist. Mit diesem Gefühl stehe ich auf und gehe los, um Erik Lundgren aufzusuchen.
     
    In der Kaffeebar empfangen mich schummriges Licht und schläfrige Musik. Aus den Nischen dringt gedämpftes Sprechen, die beiden Jeansjungfrauen sitzen gelangweilt auf ihrem Arbeitsplatz, die Ellenbogen neben ihren Gläsern aufgestützt. Der Barkeeper holt so etwas wie ein Lächeln auf sein Gesicht, schüttelt Eisstückchen in einen Shaker und nickt zu der einen Nische hin.
    Erik Lundgren sitzt auf seinen Platz, das lange Gesicht über ein paar Korrekturfahnen gebeugt. Der Kugelschreiber läuft die Zeilen entlang, die übliche Cola mit der verdächtigen Farbe ist zur Hälfte geleert. Er hebt den Blick, betrachtet mich ziemlich gleichgültig durch seine Lupen und zeigt auf den Stuhl ihm gegenüber.
    „Setzen Sie sich!“ Dann legt er den Kugelschreiber auf die Spalten und knurrt: „Ich habe gerade etwas gedacht, Herr Kommissar … Ist es bei Ihnen auch so?“
    „Was soll bei uns wie sein?“
    „Das Chefredakteure obligatorisch schizophren

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