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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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überlege einen Augenblick. Was ich ihm sagen werde, könnte schon morgen veröffentlicht werden. Nur eine Spalte in der Zeitung, ein kleiner Köder…, und er wird ihn in seinen hundert Zeilen ausschmücken.
    „Sie können mitschreiben!“, sage ich. „Und wenn Sie sich beeilen, können Sie es gleich jetzt auf den Schreibtisch ihres Chefs legen, der Ihnen so ans Herz gewachsen ist.“
    Die Reaktion erfolgt augenblicklich, ich hätte nicht gedacht, das Lundgren so flink ist. Er nimmt ein Diktiergerät aus der Tasche, drückt auf die Taste und sagt mit gleichmäßiger, gut geschulter Stimme: „Unser Reporter Erik Lundgren hatte unter merkwürdigen Umständen eine Begegnung mit Inspecteur générale …“ Inzwischen hat er meine Visitenkarte aus der Brieftasche genommen und liest meinen Namen ab. „… aus Anlass des Unfalls, über den wir in einer unserer letzten Nummern ausführlich berichtet haben…“
    Und es folgt eine turbulente Reportage mit einer Beschreibung meiner Person, der Schilderung von Lundgrens unermüdlichen Bemühungen, mich aufzuspüren (denn ich halte mich selbstverständlich verborgen!), und den Fragen, mit denen er mich in die Enge treibt.
    Diese Reportage ist lediglich eine Wiederholung bereits bekannter Dinge, die der Leser – das hofft Lundgren! – inzwischen vergessen hat; Auszüge aus dem Protokoll der Expertise, Lundgrens Kommentare, dass es sich um einen besonderen Unfall handelt, und die Berufung auf irgendwelche Fälle irgendwo anders, die er sich, wie ich argwöhne, in diesem Augenblick aus den Fingern saugt. Und schließlich die Kardinalfrage: warum bei diesem Tatbestand die Ermittlungen weitergehen.
    Ich erkläre sparsam, was den Unfall betreffe, seien die Dinge klar, wie aus der Expertise hervorgehe. Aber wir hätten die Vermutung – hier winde ich mich mit Andeutungen und Ausflüchten -, dass beim Tode von Doktor Bresson gewisse Unterlagen verschwunden seien, die ein Licht auf seine wissenschaftliche Arbeit hätten werfen können.
    Nebelhaft, aber klar genug für denjenigen, der mich verstehen soll. Ich kann mir seine Miene vorstellen. Die erste Reaktion wird ein geringschätziges Lächeln sein. Ein französischer Inspecteur, der nicht nur beschränkt, sondern ein alberner Prahlhans ist.
    Dann wird er ein bisschen nachdenklich – will man ihn nicht aufs Glatteis führen? Er, dessen bin ich mir bis jetzt sicher, ist noch nicht an die verschwundenen Unterlagen herangekommen. Und der Umstand, dass wir sie auch nicht haben, wird für ihn das Signal für unangenehme Komplikationen sein. Lundgren schließt mit einer pompösen Phrase und sagt: „Ich habe noch zwanzig Minuten bis zum Umbruch der Nummer!“
    Er bückt sich, langt in seine Reportertasche und nimmt eine Fotokamera mit Blitzlicht heraus. Er hält mir das Objektiv vors Gesicht und drückt auf den Auslöser. Großaufnahme. Noch einmal – im Profil. (Ich hoffe, er hat den Tisch nicht mit drauf!)
    Ich lächle in das Objektiv, dieses Mal natürlich, und ich denke nur daran, wie sich der andere freuen wird, wenn er mein Bild sieht. Er hat sicherlich ohnehin schon eine ganze Sammlung mit Bildern von mir.
    „Addio! Und schönsten Dank!“, sprudelt Erik Lundgren hervor und hastet mit seiner Tasche davon.
    Ich lege eine Banknote auf den Tisch und stehe auf. Ich bin müde, unendlich müde und habe nur den einen Wunsch: mich trotz Alkoholgenusses in den Volvo zu setzen und in die Pension zu fahren.
    8. Elsa Engström von der Nebenstelle
     
    Der neue Morgen beginnt mit Nebel. Einem trägen Herbstnebel, der aus dem Meer kriecht und die Umrisse der spitzgiebligen Dächer verwischt. Nur die Glockentürme mit ihren Kreuzen ragen daraus hervor, unwirklich und dünn wie Masten untergegangener Schiffe. Im Garten sind die gelben Blätter matt von der Nässe.
    Ich ziehe den Vorhang ganz auf und strecke die Hand unwillkürlich nach dem warmen Heizkörper aus. Nur ein, zwei Augenblicke, bis ich mich auf die wesentlichen Aufgaben konzentriere.
    Ich muss den Kreis der Leute abstecken, mit denen Bresson Kontakt hatte. Vielleicht ist derjenige darunter, der ihn überwacht hat. Das ist die Regel, aber nicht sicher. Die Zentralen haben genug andere Methoden zur Überwachung von Leuten, die sie interessieren. Ich sollte auch mit den übrigen reden, vielleicht können sie ein paar Hinweise geben. Wer Zugang zu den Protokollen hatte, wo die Information durchgesickert sein kann, was an den Forschungen wichtig war.
    Es folgt der zweite Kreis, die

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