Der Protektor (German Edition)
also hat man ihn beschwatzt zu schweigen. Seine Vertrauensseligkeit und Güte haben ihn getötet. Und Ivarsson hat ihn getäuscht.
Jetzt ist klar, warum Ivarsson nicht da ist.
Muss weiter nachdenken. Alles abwägen. Ist es wirklich so? Ein Zufall. Doch wer will allen Ernstes behaupten, dass es in der Wissenschaft keine Zufälle gibt?
Jetzt wird die Falle zuschnappen. Für einen Protektor, für etwas so ungeheuer Wertvolles wird die Falle unbedingt zuschnappen!
Ich sammle alle Blätter ein, lösche das Licht und liege noch lange wach, während draußen im Regen die Lichter vorbeiwandern.
Nur mühsam werde ich munter, und mir ist bewusst, dass es unverzeihlich ist, dazuliegen und sich der Müdigkeit zu überlassen, kann mich aber nicht überwinden aufzustehen. Dann fange ich an, mir immer nachdrücklicher Vorwürfe zu machen und mein schlummerndes Gewissen anzurufen, bis das schließlich ein Ergebnis zeigt. Ich erhebe mich und schleiche ächzend zur kalten Dusche im Bad – eine verdiente Strafe für das nächtliche Wachsein.
Doch von meinen nächtlichen Entschlüssen habe ich nichts vergessen. Ivarsson. Ich muss mit La Motte-Servolex-Bains sprechen – wovon ich freilich weiß, dass es von vornherein zum Misserfolg verurteil ist. Dann den Kreis von Leuten abstecken, mit denen Hugo Ivarsson Kontakt hatte, und überlegen, wo er sich jetzt versteckt halten könnte. Es wäre immerhin möglich, dass er das Land doch nicht verlassen hat, was ich freilich, ich weiß nicht warum, nicht recht glauben will.
Wie viel solcher guten Pläne habe ich mir gemacht!
Ich setze mich ans Telefon und versuche, das Kommissariat anzurufen. Wie nicht anders zu erwarten, ist Öberg nicht da. Ich hätte ihn gern am Morgen aufgesucht, um zu sehen, was sich wegen der Durchsuchung von Ivarssons Wohnung machen lässt. Dass der Staatsanwalt die Genehmigung dafür gibt, glaube ich nicht, aber ich möchte Gewissheit haben: ja oder nein.
Ich lege den Hörer auf, und fast im selben Augenblick klingelt das Telefon. Hedlund ist dran, seine Stimme ist leicht erregt: „Herr Inspecteur générale, entschuldigen Sie! Mir liegen die Ergebnisse einiger Nachforschungen vor, und deshalb störe ich Sie. Könnten Sie bitte im Kommissariat vorbeikommen?“
Das ist die verabredete Formulierung, dass sich etwas Außergewöhnliches ereignet hat. Ungefähr kann ich mir denken, was es ist.
Durchs Fenster werfe ich einen Blick auf die hoffnungslos grauen, über der Stadt hängenden Wolken und ziehe den Trenchcoat an. Hier verhauen sich die Meteorologen auch – die gestrige Wettervorhersage im Radio sprach von aufgelockerter Bewölkung.
Meine zehn für das sogenannte Frühstück vorgesehenen Minuten verbringe ich im halb leeren Foyer, und sie verteilen sich wie gewöhnlich auf die Automaten für belegte Sandwiches und die Espressomaschine. Der morgendliche Trubel ist vorbei, Busse und Autos sind abgefahren, und die Zeit läuft gleichsam langsamer. Der Rezeptionist sortiert gelassen die Schlüssel in die Fächerwand, der Portier sitzt in einem Sessel.
Draußen ist es nicht kalt, aber auch kein Wetter für fußgängerische Höchstleistungen. Feiner, alles durchdringender Regen sprüht mir ins Gesicht, veranlasst die Passanten, ihre Regenschirme zu spannen.
Hedlund treffe ich in seinem Zimmer beim Telefonieren an. Vor sich auf dem Schreibtisch hat er den Ordner mit den Auskünften zum Fall Bresson aufgeschlagen, und ganz obenauf liegt ein Dutzend Fotos.
Ich setze mich, er beendet seine Gespräche, rafft die Fotos zusammen und gibt sie mir: „Bitte, Herr Inspecteur générale, sie sind von heute morgen.“
Hedlund ist leicht erregt, mit einer Beimischung von Berufsstolz.
Auf den Fotos ist ein Mann. Jung, gut gekleidet, mittelgroß. Auf einigen Fotos hat die versteckte Kamera sein Gesicht von Nahem aufgenommen. Er wirkt intelligent, hat lebhafte, dunkle Augen und modern geschnittene Haare. Kein nördlicher Typ.
Er ist früh am Morgen auf dem Autofriedhof erschienen, zwischen den Schrottwagen unter den Schuppendächern herumgegangen und hat sie sich angesehen. Er gehöre nicht zu den Leuten, die sich für gewöhnlich an solchen Orten herumtreiben, die kennt man dort.
Im weiteren sei alles erwartungsgemäß verlaufen. Er sei herumgeschlendert, da und dort vorbeigegangen, bis er vor unserem Peugeotwrack stehen geblieben sei.
„Ulf hat ihn gefragt, welche Teile er benötige und ob er einen Monteur haben wolle“, fährt Hedlund fort.
Ulf ist unser Mann
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