Der Protektor (German Edition)
Blut das ist, sicherlich meins.
Der Mann mit dem Rohr ist neben mir stehen geblieben und versucht mich hochzuheben.
„Was ist Ihnen? Sind Sie verwundet?“, fragt er.
Er hat ein großes, breites Gesicht mit viel Fleisch auf den Backenknochen. Er reicht mir ein Tempotuch. Die Wunde ist irgendwo über dem Ohr und scheint nicht ernsthaft zu sein, denn sie hat aufgehört zu bluten.
„Dort drüben, zwei Schritte, gibt es Wasser“, sagt der Mann. „Möchten Sie sich waschen?“
Ich rapple mich auf und gehe langsam neben ihm her. Ich danke ihm, er winkt bloß ab. Warum sei ich denn in den Park hineingegangen? Ich hätte Hilferufe gehört? Das sei Unsinn, der allergewöhnlichste Trick. Man würde mich wegen hundert Kronen zusammenschlagen, und niemand käme mir zur Hilfe.
In seinem Gesicht ist etwas Bekanntes, mir ist, als hätte ich ihn irgendwo schon gesehen. Ich wasche mir das Gesicht in dem kleinen Springbrunnen mit zwei Bronzetritonen, und komme langsam zu mir. Das kalte Wasser brennt auf der Haut und bringt mich in die Wirklichkeit zurück. Ich massiere mich ein bisschen, dann hole ich Luft. Der verprügelte Don Quijote ist auch diesmal davongekommen. In mir glimmt sogar ein klein wenig Schadenfreude. Der Supermann wird lange an Krücken gehen müssen. Den Dreh mit der Bank hatte er nicht erwartet.
Aber diesem Mann mit den fleischigen Backenknochen bin ich schon begegnet. Ich strenge mein Gedächtnis an, vergebens. Noch eine Anstrengung, dann taucht es nach und nach mühsam auf: das Fenster, der heraushängende Ellenbogen.
Ich lasse das mit Blut und Wasser getränkte Taschentuch sinken und sehe ihn an.
Er ist es. Mein Schatten, der Mann, der im gegebenen Moment das Zielfernrohr auf mich richten und abdrücken wird.
Und in meiner dummen, jämmerlichen Lage kommt mich das Lachen an. Ein schauderhaftes, nervöses Lachen als Reaktion auf die durchlebte Gefahr.
Das lautlose Lachen schüttelt mich, der andere sieht mich verwundert an. Der Mann, der dafür bezahlt wird, mich umzubringen, hat mich gerettet. Er hat einfach noch nicht den Befehl dazu, und wenn mich andere um die Ecke bringen, kann er seinem Scheck ade sagen!
Jetzt habe ich immerhin das Vergnügen, meinen Schutzengel zu betrachten. Und auch er kann mich aus der Nähe, nicht vergrößert und verschwommen durch ein Okular studieren.
Ein Profi. Kräftig, mit dem großen Gesicht eines Landarbeiters und mit grauen, unbeweglichen Augen. Sicherlich hat er in der Marine gedient, denn auf dem Rücken der rechten Hand, in der er immer noch das schwere Rohr hält, ist eine Tätowierung. Ein Bär ohne allzu große Geistesgaben, das ist er. Immerhin hat es ihm gedämmert, dass er mich raushauen muss! Es liegt mir auf der Zunge, ihn zu fragen, ob wir uns nicht schon irgendwo begegnet sind. In Garvaregarden beispielsweise.
Wie dem auch sei, wichtig ist, dass er mich im Moment gerettet hat! Ich danke ihm abermals, und wir gehen die Allee entlang. Dabei überlege ich, was man in so einem Fall tut. Ich muss ihm etwas über mich erzählen, dass ich dienstlich hier bin (er weiß ja, weshalb!), das ich in der Pension von UNIKS wohne (das weiß er auch!) und… Was ich in der Wilemstad gesucht habe, erkläre ich nicht, aber auch das weiß er, ich mach es ihm nur ein bisschen schwer, weil er so tun muss, als hörte er das alles zum ersten Mal. Und ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen, mich liebenswürdig zu erkundigen, wer mein Retter ist.
Es zeigt sich, dass er tatsächlich ehemaliger Seemann ist. Dass er nicht in Krongatan wohnt, sondern geschäftlich hier ist (was wiederum ich weiß!), wobei er sorgfältig vermeidet zu erklären, welcher Art Geschäfte das sind. Überhaupt, wir verstehen uns.
Auf dem Platz trennen wir uns. Ich schlage die Richtung zur Pension ein, er verschwindet in einer Nebenstraße. Wenn ich ein Weilchen warte, werde ich sicherlich sehen, wie sein Auto aus der Dunkelheit hinter dem Park hervorkommt.
Doch weshalb sollte ich. Ich muss zurück und nachfragen, ob in der Rezeption Faxe für mich liegen. Halblaut verfluche ich das Miststück, das mir die Faust in den Leib gerammt hat, und nehme, mit einem Schluckauf kämpfend, den kürzesten Weg zur Pension.
11. Peet van Aelst, Handelsagent
Ich gehe durch einen Wald. Einen sehr seltsamen Wald wie aus den Träumen meiner Kindheit. Der Pfad schlängelt sich an den Wurzeln der alten Bäume vorbei, überspringt sie und führt abwärts, von den Ästen hängen die Häkelspitzen
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