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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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sichtbaren Anzeichen von Leben gibt.
    Ich kehre mit der Miene eines Mannes, der unentschlossen überlegt, auf den warmen Sitz des Taxis zurück. Diese Überlegungen dauern nicht lange, denn hinter dem Bronzereiter erscheint auf dem Platz der Tieflader. Er biegt ab und zwängt sich in die schmale Gasse, dann hält er vor der Tür mit dem Schild, und aus dem Fahrerhäuschen steigen zwei Männer in grünen Overalls. Das Autowrack steht in seltsamem Widerspruch zu dem edlen Haus.
    Ich weiß nicht, ob die zwei in dem Lieferwagen, der jetzt auf den kleinen Platz einbiegt, das ebenso empfinden. Mir genügt, was ich gesehen habe. Ich zeige dem Fahrer die nächste Querstraße, und als wir schon ein ganzes Stück von der belgischen Firma und ihrem sonderbaren Vertreter entfernt sind, nenne ich dem Fahrer Erik Lundgrens Adresse.
    Um diese Zeit ist er wahrscheinlich zu Hause. Ich muss ihn unbedingt sprechen.
    Lange und nachdrücklich muss ich in einem finsteren Parterre klingeln, in einem Haus, das sich beträchtlich von den Häusern in Börgstaden unterscheidet. Es gehört zu jenen zwischen den Kriegen gebauten Häusern, die zwar nicht schäbig sind, denen man aber die Anstrengung ansieht, anständig zu wirken. Und das spricht für sich selbst.
    Meine Bemühungen werden endlich von Erfolg gekrönt. Hinter der Tür werden Schritte hörbar, danach Lundgrens heisere, ärgerliche Stimme, die Erklärungen heischt, wer da etwas von ihm will. Ich gebe sie ihm bereitwillig, und die Tür öffnet sich.
    Der Hohepriester der Presse erscheint in Schlafanzug und Pantoffeln und sieht ziemlich zerknautscht aus. Auf den Wangen Bartstoppeln, die Lupen konzentrieren sich mit Mühe auf mich.
    „Sie?“, fragt er verwundert. „Was ist denn?“
    „Tut mir leid, dass ich Sie zu dieser Zeit aus dem Bett hole. Könnte ich ein paar Minuten…?“
    Mit einiger Verspätung besinnt er sich, dass er mich hätte hinein bitten müssen. Er schaltet im Vorraum das Licht an und tritt zur Seite.
    „Oh, bitte!“
    Die Wohnung ist klein. Links so etwas wie ein Wohnzimmer mit einem Türbogen, dahinter ist ein winziger Schlafraum zu sehen. Am Fenster, das auf den Innerhof geht, steht ein vom Alter gezeichneter Schreibtisch mit einer offenen Schreibmaschine und einer Lampe mit großem Stoffschirm. Ein dunkler, mit Büchern und Zeitschriften vollgestopfter Bücherschrank, drei Sessel und ein Tischchen im Alter des Schreibtischs vervollständigen die Einrichtung.
    „Setzen Sie sich bitte! Ich bin gleich… Nur eine Minute!“, sagt der Hausherr und lässt mich allein.
    Ich setze mich in einen Sessel und höre durch die offene Tür aus dem Bad lautes Plätschern. Offensichtlich versucht Lundgren, sich in Form zu bringen.
    Nach dieser Begrüßung hatte ich eine schlimmere Unordnung erwartet. Doch Lundgren versteht es anscheinend, Trinken und Arbeit auseinanderzuhalten. Unordnung, und zwar schauderhafte, herrscht nur in dem winzigen Schlafzimmer, indes Schreibtisch und das Wohnzimmer, das ihm offenbar auch als Arbeitsraum dient, verhältnismäßig ordentlich aussehen. Die Ordner neben der Schreibmaschine sind geschlossen, die Kugelschreiber liegen in einer Metallschale neben einer großen Tube mit Klebstoff.
    „Entschuldigen Sie!“, ertönt Lundgrens Stimme. „Ich komme!“
    Dann erscheint er in einem Jogginganzug mit vom kalten Wasser geröteten Gesicht und gekämmtem Haar. Ohne mich zu fragen, nimmt er aus dem Barteil des Bücherschranks eine Flasche Kognak und schenkt zwei Gläser ein.
    „Für Sie gegen die Erkältung, für mich gegen die Kopfschmerzen!“
    Sein Kognak ist von mittlerer Qualität, aber doch willkommen, denn er hat recht – mir laufen kalte Schauer über den Rücken. Wir trinken.
    „Nun, welchem Umstand verdanke ich die Ehre?“ Lundgren schaut mich fragend an.
    „Ihren Recherchen.“
    „Welche Recherchen?“ Er versteht nicht.
    „Denen, auf die Sie so stolz waren. Über die Drogenaffäre.“
    Schweigen. Der Blick hinter den Lupen wird auf einmal sehr ernst. Lundgren schüttet sich den Kognak in den Schlund und runzelt die Stirn.
    „Vergessen Sie das! Eine unseriöse Sache.“
    „Warum?“, beharre ich. „Wie Sie mir erklärt haben, hat es Ihnen Ihr schizophrener Chefredakteur zurückgegeben, sonst wäre sein lausiges Blättchen in ein paar Minuten vergriffen gewesen, war es nicht so? Warum geben Sie mir Ihr Material nicht?“
    Erneutes Schweigen. Nur, dass er mich nicht so leicht los wird.
    „Was soll ich denken?“, frage ich.

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