Der Protektor von Calderon
begegnet.
Trotzdem machte sich Amara Sorgen.
Wegen Bernard.
Insgesamt waren sie nicht einmal einen Tag lang in der Höhle geblieben, die Bernard von Brutus hatte erweitern lassen. In dem Moment, als er wieder zu Bewusstsein kam, hatte er sich wackelig auf die Beine erhoben und darauf beharrt, sofort von der Stelle zu verschwinden. Nur weil es mitten in der Nacht und
der Erste Fürst immer noch nicht bei Bewusstsein war, hatte sie ihn davon abhalten können, in den Sumpf zu taumeln. Doch sobald es genug Licht gab, begann er mit den Vorbereitungen zum Abmarsch.
Zu Amaras Überraschung häutete er als Erstes die toten Garims. Die weiche, dicke Haut der Hälse und Bäuche war bereits von Aasfressern aufgerissen und von Insekten angefressen worden, und sie war für Umhänge nicht mehr zu gebrauchen. Doch die schwere, mit Knötchen durchsetzte Haut von Rücken und Flanken war noch intakt. Bernard schnitt große Stücke des zähen Leders von den Kadavern und legte sie flach auf dem Boden aus. Auf einen gemurmelten Befehl hin erhob sich Brutus und zerrte die Häute in die Erde. Kurz darauf tauchten sie wieder auf, und zwar von allen Fleischresten befreit.
Bernard ging zu einer Weide neben dem Sumpf und holte sich ein Dutzend größerer Zweige. Unter seinen Händen lösten sie sich vom Stamm wie Weintrauben von ihrem Zweig. Mit Hilfe seines Holzelementars und seinen großen geschickten Händen fügte er sie in kürzester Zeit zu einem langen Gestell mit Griffen an jedem Ende zusammen. Dann breitete er die Häute darüber aus und klebte sie mit Harz von einem anderen Baum fest.
Nach insgesamt zwanzig Minuten war er fertig und trug das Gestell, das aussah wie ein Schlitten ohne Kufen, hinüber zum Ersten Fürsten und legte Gaius darauf. Dann stellte er ihre Richtung fest, wobei er sich mehrfach nervös umschaute, und führte Amara in den Sumpf. Das Gestell trug er auf einer Schulter, wann immer der Boden fest war, und sobald sie waten mussten, ließ er Gaius wie in einem Boot schwimmen.
Die meiste Zeit über schlief Gaius oder war bewusstlos. Obwohl Bernard sich große Mühe gab, stieß er manchmal mit der Trage an, und wenn das geschah, wurde der Erste Fürst blass und riss den Mund vor Schmerz auf.
Erst am zweiten Tag im Sumpf fiel Amara auf, dass Bernard nicht mehr ihre Richtung einhielt. Zuerst wich er nicht viel
davon ab, doch im Lauf der Stunden sah Amara, dass er die Bäume vor ihnen und hinter ihnen nicht mehr so sorgfältig anvisierte.
»Halt«, sagte Amara schließlich. »Bernard, lass uns kurz anhalten. Ich muss mich ausruhen.«
Bernard, der mit der Trage des Ersten Fürsten auf der Schulter gerade einen kleinen Hügel hinaufgestiegen war, setzte den alten Mann sanft ab, ließ sich ohne Protest zu Boden sinken und den Kopf hängen.
Amara runzelte die Stirn. Er hatte nicht einmal den Boden an der Stelle überprüft, wo er sich hinsetzte, etwas, das er ihr am ersten Tag im Sumpf eingeschärft hatte. Es war wichtig, weil an solchen Stellen oft giftige Schlangen oder Insekten lebten, und es konnte leicht das Leben davon abhängen, ob man sich auf eines dieser Tiere setzte oder nicht. Amara sah sich den Boden um Bernard herum an, ehe sie sich niederließ, holte ihre Wasserflasche hervor und trank. Dann bot sie die Flasche ihrem Mann an. Er trank ebenfalls.
»Ich muss mit dir reden«, sagte sie leise.
Er nickte, antwortete jedoch nicht.
»Ich habe dich beobachtet, und … und ich glaube, du bist von unserer Richtung abgekommen.«
Bernard legte die Stirn in Falten und blickte sie an. Dann murmelte er etwas vor sich hin und fragte: »Bist du sicher?«
Amara biss sich auf die Unterlippe, sah ihm in die Augen und nickte.
Seine Miene wirkte leicht verwirrt, und er schüttelte den Kopf. »Wie viel?«
»Schwer einzuschätzen für mich. Wir können fünf oder zehn Meilen südlich unseres eigentlichen Wegs sein.«
Er schloss kurz die Augen und nickte schließlich. »Ich verstehe.«
Sie nahm seine Hand. »Liebster. Sag mir, was los ist.«
Bernard schlug mit der Hand um sich. Fliegen und Mücken umschwärmten sie surrend. Einer der seltenen Windstöße wehte
über das Wasser unten an dem kleinen Hügel und ließ die Frösche laut quaken.
Amara beugte sich zu Bernard vor und sagte sanft: »Sag es mir doch, Liebster.«
»Meine Augen«, flüsterte er. »Sie … Ich kann nicht mehr so scharf sehen wie sonst. Manchmal habe ich Schwierigkeiten, die Wegmarken wiederzufinden, mit denen ich die Richtung halte. Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher