Der Protektor von Calderon
mich auch gerade gefragt, ob sie diese Hauben aus Pferdedecken gemacht haben.«
Isana lachte erneut, und Araris fiel mit ein.
»Der Kampflärm hat aufgehört«, sagte Isana im nächsten Moment.
»Ja«, antwortete Araris.
»Haben die Legionen gewonnen?«
»Jedenfalls haben sie noch nicht verloren«, erwiderte Araris. »Diese Trompetensignale haben zum allgemeinen Rückzug gerufen.«
»Dann wurden sie in die Stellung zurückgedrängt, aus der sie angegriffen haben«, sagte Isana.
»Eine Stellung, die sie gehalten haben«, berichtigte Araris. »Der Abbruch eines Angriffs klingt anders. Und es gibt zu viele Verwundete.«
Isana hatte sich stark bemüht, nicht an das Stöhnen und die Schreie der Männer zu denken, die sie aus der Nähe hören konnten. »Es unterscheidet sich?«
»Bei einem Angriff«, sagte Araris, »kämpft man auf dem Gebiet des Feindes. Man drängt vorwärts. Wenn Männer fallen, ist es schwieriger, sie nach hinten zu bringen. Sobald zum Rückzug geblasen wird, fallen noch mehr Männer. Die meisten bleiben zurück, geraten in Gefangenschaft oder werden getötet. Bei einer Verteidigung ist es anders. Man kämpft auf eigenem Gebiet. Es stehen Männer bereit, um die Verwundeten zu den Heilern zu bringen, und frische Männer treten an die Stelle der Gefallenen und decken den Rückzug. Am Ende hat man viel mehr Verwundete.«
Isana schauderte. »Das ist entsetzlich.«
»Eine entsetzliche Lage«, stimmte Araris leise zu.
»So wie unsere«, meinte Isana.
Er schwieg.
»Ist es so schlimm?«, fragte Isana und drückte ihren Rücken sanft an seinen.
»Du hattest schon recht mit dem, was du zu Navaris gesagt hast«, erklärte er. »Sie sollte sich überlegen, ob sie die Entscheidung für Arnos treffen will oder nicht. Das hat uns ein wenig Zeit verschafft. Aber man hat uns in einem geschlossenen Wagen ins Legionslager gefahren, noch dazu mit Hauben auf dem Kopf. Danach haben sie uns in dieses Zelt gebracht, das bewacht wird. Und ich bin sicher, wir befinden uns im Bereich der Ersten
Garde. Nalus ist Hauptmann der Zweiten Senatsgarde, und er würde unbedingt wissen wollen, was verhüllte Gefangene in seinem Lager zu suchen haben.«
»Niemand weiß, wer wir sind«, sagte Isana leise. »Niemand weiß, dass wir hier sind.«
»Genau«, meinte Araris.
»Wird er uns umbringen?«
Araris dachte kurz nach. Dann sagte er ganz ohne Bosheit: »Das sollte er besser.«
»Wie bitte?«
»Du bist eine Civis des Reiches, Isana. Seine Meuchelmörder haben dich überfallen und entführt, auf seinen Befehl hin. Ehren ist ein Kursor der Krone. Falls er überlebt hat, wird er riesigen Ärger veranstalten, und zwar vor Gericht. Arnos hat nur eine Chance, das zu überleben …«
»… wenn es keine Zeugen gibt, die Ehrens Geschichte bestätigen.«
»Genau«, sagte Araris. »Und außerdem: Wenn er uns nicht umbringt, werde ich ihn mir vorknöpfen.«
Die Nüchternheit, die in seiner leisen Stimme mitschwang, war beängstigend. Unwillkürlich schob sich Isana näher an ihn heran. »Was können wir denn tun?«, fragte sie. »Fliehen?«
»Ehrlich gesagt fürchte ich, dass uns das kaum gelingen wird, selbst wenn wir uns befreien. Wir würden ihnen lediglich einen wunderbaren Vorwand liefern, uns zu töten und es hinterher öffentlich zu bedauern. Hitze des Gefechts, Verwirrung und ähnliche Tragödien.«
»Und?«
»Wenn du die Gelegenheit bekommst, dann bring Arnos dazu, so lange zu reden wie nur möglich«, schlug Araris vor. »Und wir warten ab.«
»Abwarten?«
»Er wird uns hier nicht im Stich lassen«, sagte Araris.
Isana wusste genau, wen der Singulare meinte. »Wir sind geheime
Gefangene in einem Lager, das genauso gut ein feindliches sein könnte, und zudem von einer Armee Canim umzingelt. Er ist allein. Er weiß nicht einmal, wo wir sind. Natürlich wird er es versuchen, aber …«
Bei diesen Worten lachte Araris laut, und zwar so laut, dass man ihn außerhalb des Zeltes hören konnte. Als Isana bewusst wurde, dass sie zum ersten Mal überhaupt einen so fröhlichen Laut von ihm hörte, reagierte ihr Herz mit einem kleinen glücklichen Hüpfer.
»Ruhe da drin!«, brüllte jemand, einer der Handlanger des Senators oder irgendein Legionare , den man zur Wache abgestellt hatte.
Araris beherrschte sich und legte den Kopf zurück. Isana spürte, wie er sie berührte, lehnte sich ebenfalls zurück und schloss die Augen.
»Ich bin jetzt schon zwei Jahre mit ihm unterwegs«, flüsterte Araris. »Du weißt, wie es
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