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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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verteilt lagen mehrere Stapel, die Zeugnis von etlichen Stunden Arbeit ablegten. Er hörte auf zu schreiben, legte die Feder zur Seite und erhob sich mit einem breiten Lächeln.
    Isana blieb stehen. Der Mann, der da aufstand, war ein Riese, größer sogar als ihr Bruder Bernard, allerdings drahtiger und mit der Schlankheit der Jungen gesegnet. Das dunkle Haar trug er kurzgeschoren, außerdem hatte er einen verbeulten Legionspanzer angelegt und ein Schwert umgeschnallt. Sein Gesicht war kantig, stark und anziehend, obwohl sich eine feine weiße Linie über die eine Wange zog, wo eine Wunde zu tief gewesen sein musste, um ohne Narbe zu verheilen.
    Seine Augen hatten sich jedoch nicht verändert. Sie waren grün und hell und wurden von dem klugen Verstand dahinter erleuchtet.
    Wie sein Vater, dachte Isana.
    »Tante Isana«, sagte Tavi und umarmte sie aufs Herzlichste.
    Sie wollte ihn warnen, vorsichtig zu sein, doch er war sanft und achtete darauf, ihr nicht mit dem Stahl der Rüstung wehzutun. Sie drückte ihn so fest an sich, wie sie nur konnte. Er stand wirklich vor ihr, und er war in Sicherheit. Seit Jahren hatte sie ihn nicht gesehen, doch hier stand ohne Zweifel ihr Sohn vor ihr, der die Wärme und Liebe und Freude, die von ihm ausstrahlte, nicht zu verbergen suchte.

    Eine Weile lang standen sie da, ehe Isana sich aus der Umarmung löste. Sie hob die Hände und legte sie um sein Gesicht, wobei ihr die Tränen in die Augen traten und ihre Wangen vom Lächeln schmerzten. »Hallo, Tavi.«
    Er küsste sie auf den Kopf. »Hallo, Tantchen. Es ist lange her.«
    Sie beugte sich auf Armeslänge zurück und betrachtete ihn von oben bis unten. »Länger für den einen als für den anderen«, neckte sie. »Meine Güte, du bist noch größer geworden. Was tun sie denn hier ins Wasser?«
    Er grinste. »Ich konnte nichts dagegen machen. Aber ich glaube, jetzt habe ich endlich aufgehört zu wachsen. Diese Hose hier passt mir schon seit einem Jahr.«
    »Meine Güte. Wenn du noch größer wirst, müssen sie die Decken hier drin erhöhen.«
    Tavi schüttelte ernst den Kopf. »Unfug. Wir sind in der Legion. Die Decke entspricht den Vorschriften. Es ist also die Pflicht eines jeden Legionare , selbst darauf zu achten, dass er auch die vorgeschriebene Größe hat.«
    Isana lachte. »Na, immerhin hast du deinen Sinn für Humor nicht verloren.«
    »Niemals«, sagte Tavi. »Der Verstand ist mir zwar vor einiger Zeit abhandengekommen, doch das ist ja noch kein Grund, nicht über alles zu lachen. Wie geht es Seiner Exzellenz dem Onkel?«
    »Bernard geht es gut, und den Leuten auf dem Wehrhof ebenfalls. Was mich an etwas erinnert.« Sie band einen Beutel von ihrem Gürtel los, öffnete ihn, knisterte mit einigen Papieren herum und holte schließlich einen versiegelten Brief hervor. »Frederic bat mich, ihn dir zu geben.«
    Tavi lächelte und nahm den Brief entgegen. Er brach das Siegel und überflog ihn eilig. »Das Mädchen, das er gerettet hat, wie? Beritte muss aber sauer sein. Wie ist es denn für sie ausgegangen?«
    »So wie in den meisten Ehen. Sie müssen erst lernen, wie man zusammenlebt.«
    »Ich freue mich für ihn«, sagte Tavi. »Sobald ich Zeit habe,
werde ich eine Antwort schreiben, die du mit zurücknehmen kannst. Doch falls ich es nicht schaffe, richte ihm bitte meinen Glückwunsch aus.«
    »Natürlich.«
    Tavi lächelte sie an und deutete auf den Kamin, wo ein Kessel nahe genug an den Flammen hing, um die Flüssigkeit darin warm zu halten. »Tee?«
    »Ach ja, bitte.«
    Tavi zog zwei Stühle heran, stellte sie nah zusammen und bot ihr einen davon an. Dann holte er zwei Zinnbecher aus einem Regal und goss dampfenden Tee hinein. Er fügte einen Löffel Honig hinzu, wie Isana es gern mochte, und drei davon in seinen eigenen, ehe er zu ihr zurückkam.
    Sie tranken den Tee, unterhielten sich leise über Menschen und Orte in der Heimat des Calderon-Tals. Sie sprachen über Tavis Pflichten an der Elinarcus, und über Isanas Reise mit der Nachschubkolonne, bis Tavi sich schließlich erhob und neuen Tee holte.
    Als er sich wieder setzte, sagte Isana: »Tavi, hoffentlich weißt du, wie stolz wir auf dich sind. Dein Onkel und ich. Du bist zu einem bemerkenswerten jungen Mann herangewachsen.«
    Er blinzelte sie einige Male an, ehe er aufmerksam die Oberfläche des Tees studierte. Isanas Gespür für seine Gefühle enthüllte ihr Freude über das Lob und Stolz, zusammen mit einer ordentlichen Portion Verlegenheit. Er wurde ein wenig rot

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