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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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im Gesicht. »Also«, sagte er, »ohne dich und Onkel Bernard hätte ich es nicht geschafft. Wenn ihr mich nicht unterrichtet hättet. Und vorbereitet.«
    Isana empfand bei diesen Worten Schuldgefühle. Ihn auf sein Leben vorzubereiten, war wahrscheinlich das, was sie eben gerade nicht getan hatte.
    Sie nippte an ihrem Tee und betrachtete stirnrunzelnd die Oberfläche. »Tavi«, fragte sie, »ist es sicher, hier offen zu sprechen?«

    Er legte den Kopf schief, und sie spürte die Neugier in seinen Gedanken. »Ja«, sagte er vollkommen überzeugt. »Hier kann uns niemand belauschen. Warum, Tante Isana?«
    Isana holte tief Luft. »Ich müsste da mit dir über etwas reden.«
    Tavi wurde erneut rot. »Ach, das sind doch nur Gerüchte. Ich meine, die Männer trinken, und eine kleine Geschichte wächst immer mehr an, je öfter sie erzählt wird.«
    Isana sah ihn mit großen Augen an.
    »Ich meine, ich veranstalte doch keine Orgien. Jeder hört sich gern eine gute Geschichte an, aber die Wahrheit ist meist viel weniger lustig.«
    »Tavi«, sagte Isana entschlossen. »Wovon in aller Welt redest du?«
    Tavi erstarrte einen Moment lang mit offenem Mund. Verdruss strahlte in einer Woge von ihm aus, die Isana praktisch sehen konnte. Dann schluckte er. »Äh, über nichts.«
    Isana zog eine Augenbraue hoch.
    Tavi seufzte und errötete wieder. »Über Kitai. Sie und ich …«
    »Ach«, meinte Isana. »Ihr seid zusammen.«
    »Äh, ja.«
    »In mehr als einer Bedeutung des Wortes, wenn ich recht verstehe?«
    »Na ja. Schon«, sagte er kläglich. »Aber es ist nicht so, als würden wir … Ich meine, manche Marat sind, äh, nicht besonders zurückhaltend, wenn es um bestimmte Dinge geht, und viele der Reiter sind ständig in meiner Nähe, und daraus sind dann diese dummen Gerüchte entstanden, aber es ist kein Fünkchen Wahrheit dran.« Tavi zögerte und atmete durch. »Kitai und ich … sind einfach zusammen.«
    Isana seufzte. »Gut. Weder du noch ich möchten das vertiefen, Tavi.« Sie wandte sich ihrem Teebecher zu. »Nun. Das könnte doch … recht kompliziert werden. Ich hätte wesentlich früher mit dir darüber reden sollen.«
    »Äh«, sagte Tavi. Er war vielleicht inzwischen erwachsen, doch
Isana erkannte es, wenn er sich vor Unbehagen wand. So hatte er sich auch früher gewunden, wenn man ihn auf frischer Tat ertappt hatte. »Du brauchst nicht mit mir darüber zu sprechen. Ich habe es schon herausgefunden, als ich zehn war. Ich meine, beim Schafehüten und …«
    Isana schüttelte den Kopf und überraschte sich selbst mit ihrem leisen Lachen. »Nein, darüber will ich gar nicht reden«, meinte sie. »Du verstehst nicht …«
    Sie wurde unterbrochen, weil plötzlich jemand die Tür öffnete. Als sie sich umdrehte, sah sie Araris. »Hauptmann«, sagte er leise, mit gerunzelter Stirn. »Wir haben gerade Nachricht von einem der Männer erhalten. Die Singulares von Senator Arnos sind unterwegs zu dir.«
    Tavi reckte das Kinn vor. »Warum?«
    Araris zuckte mit den Schultern. »Einzelheiten weiß ich nicht. Sie sind jetzt vor der Tür.«
    »Es scheint mir ein guter Zeitpunkt zu sein, um mit Maximus und Crassus über den Übungsplan für diese Woche zu sprechen. Schick einen Boten zu ihnen.«
    Araris schlug die Faust vor das Herz und ging. Tavi biss sich auf die Unterlippe und blickte sich in dem kleinen Schreibzimmer um. Er öffnete die andere Tür hinter dem Schreibtisch und sagte: »Tantchen, ob ich dich bitten dürfte, in meiner Unterkunft zu warten? Ich würde den Laufburschen des Senators lieber nicht erklären müssen, warum du hier bist.«
    »Natürlich«, antwortete sie und erhob sich. Rasch trat sie durch die Tür. Ohne Lampen war es schwierig, viel zu sehen, doch das bescheidene Zimmer sah ebenso zweckmäßig und kahl aus wie das Schreibzimmer, wenn man einmal von dem ungemachten Doppelbett absah. Nun ja, immerhin das hatte man ihm in der Legion beigebracht. Jeder, der Tavi davon überzeugen konnte, sein Zimmer aufzuräumen, konnte nicht ganz schlecht sein.
    Tavi schloss die Tür bis auf einen kleinen Spalt, legte vollkommen überflüssigerweise mahnend einen Finger an die Lippen
und kehrte ins Schreibzimmer zurück. Isana hörte, wie er die Stühle zurückschob, und ein leises Klirren, vermutlich, weil er einen Becher ins Regal zurückstellte. Sein Schatten bewegte sich in dem schmalen Spalt der Tür, dann setzte er sich wieder an den Schreibtisch. Papier raschelte. Einige Sekunden später ging die Tür erneut auf, und

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