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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Aquitania, schneller oder geschickter in der Luft bewegt als sie. An der Akademie hatte Amara ein Rennen nach dem anderen gewonnen und war auch im Luftkampf nie besiegt worden.
    Allerdings hatte sie ihre Kräfte auch noch nie mit dem Ersten Fürsten von Alera gemessen.
    In den ersten Minuten war Gaius gleichmäßig vor ihr her geflogen, obwohl ein kalter Nordwind sie mit zunehmender Geschwindigkeit nach Süden drücken wollte. Gaius war rasch über die Wolkendecke gestiegen, und zwar äußerst rasch. Nach einer Stunde konnte sie den Ersten Fürsten kaum mehr in der Ferne sehen, selbst mit Cirrus’ Hilfe nicht.
    Amara flog so schnell sie konnte, und eine Zeitlang holte sie Zoll um Zoll auf. Sie kam gut voran und befand sich schließlich
nur noch drei Dutzend Fuß hinter ihm. Amara freute sich, weil sie anscheinend doch mithalten konnte. Erst da bemerkte sie, dass Dutzende kleinerer Windelementare, die sie kaum spürte, Cirrus zu Hilfe gekommen waren. Als die Sonne den Zenit erreichte, war sie zähneknirschend zu der Erkenntnis gekommen, dass zumindest bei dieser speziellen Form des Reisens Gaius’ schiere Kraft über ihr angeborenes Talent zum Fliegen und ihre hart erarbeiteten Fähigkeiten triumphierte.
    Er wurde nie langsamer, sondern hielt die Geschwindigkeit mit grimmiger Entschlossenheit. Nur gelegentlich erhaschte Amara durch die Wolken einen Blick auf die Erde, und jedes Mal glitt der Boden viel schneller unter ihr hinweg, als sie das gewöhnt war, insbesondere bei dieser Höhe. Der Wind in ihrem Rücken nahm an Stärke zu, denn Gaius hatte, so erkannte Amara, einen der großen Windelementare des hohen Nordens zu Hilfe gerufen - mit vermutlich sehr unangenehmen Folgen für die Städte und Dörfer im Norden von Alera, auf die nun wieder arktisch kalte Luft zuströmte, obwohl der Winter gerade seinen festen Griff lockern wollte.
    Amara konnte nicht einschätzen, wo sie sich befanden - vor allem deshalb nicht, weil sie, abgesehen von »südwärts«, ihr Ziel nicht kannte. Auch hatte sie kaum Gelegenheit, nach Landmarken Ausschau zu halten, die ihr verrieten, wo sie war. Der Erste Fürst jedoch schien keinerlei Schwierigkeiten zu haben, den Weg zu finden, und er flog unbeirrt und gnadenlos voran.
    Bei Sonnenuntergang hatte Amara für solcherlei Überlegungen keine Kraft mehr. Sie konnte sich gerade noch in der Luft halten. Und Gaius flog weiter und weiter und wurde niemals langsamer, als habe er sich in einen Luftstrom des Nordwindes verwandelt.
    Es wurde Nacht, und Amara wusste nicht, wie sie in der Luft bleiben sollte. Ihr war entsetzlich kalt, sie war über alle Maßen hungrig, und vor Müdigkeit tat ihr der ganze Körper weh.
    Endlich begann der Erste Fürst, der vor den Sternen nur als dunkler Schemen zu erkennen war, mit dem Abstieg. Irgendwie
gelang es Amara, bei ihm zu bleiben, als er durch die Wolkendecke stieß und darunter in feinem, kaltem Nieselregen herauskam. Sie wurden langsamer und flogen um eine geschwungene Erhebung im Gelände herum, bis sie ein trübes Licht unter sich entdeckten, inmitten von dicken Bäumen, von deren Ästen lange, lange Bänder irgendeiner Art gelbgrünen Mooses herabhingen.
    Amara erinnerte sich, wie sie sich unter diesen Bäumen an ein Feuer gesetzt hatte, das bis auf rote Glut und winzige Flammen herabgebrannt war und lediglich trüben Lichtschein spendete. Sie erinnerte sich, dass ihre Knie bei der Landung beinahe unter ihr nachgegeben hätten.
    Gaius drehte sich zu ihr um und zog eine besorgte Miene. Dann nahm er ihren Arm und führte sie zum Feuer. Dort lag eine Decke vor einem großen Stein, der die Hitze der Flammen auffing und abstrahlte, und angesichts der angenehmen Wärme hätte Amara vor Erleichterung fast gewimmert.
    Jemand drückte ihr einen Zinnbecher mit heißer Suppe in die Hand, die sie so schnell hinunterschlang, wie es nur ging, ohne sich den Mund zu verbrennen. Danach erinnerte sie sich nur noch daran, wie himmlisch sich die Decke unter ihr angefühlt hatte, und dann hatte sich gnädig die Dunkelheit über sie gesenkt.
     
    Einige Zeit später erwachte sie. Es war Morgen. Golden schien die Sonne durch weißen Dunst über ihr, nur gelegentlich drang ein leuchtender Strahl bis zum Boden vor. Überall war es grün, immer nur grün, in unglaublich vielen Abstufungen, und sie fragte sich, weshalb man all diese Farben mit diesem einen Wort »grün« beschreiben durfte.
    Es dauerte einen Moment, bis sie wieder klar sah und ihre Umgebung wahrnehmen konnte.

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