Der Protektor von Calderon
Fischen in der Hand trat aus dem Wald. Er trug den braungrünen Mantel eines Waldläufers, eine steingraue Tunika und eine braune Lederhose. In der linken Hand hielt er einen Jagdbogen, und Amara sah den Griff einer Axt hinter seiner Schulter hervorragen. Er lächelte sie breit an und warf den Bogen zur Seite.
»Bernard«, sagte sie und ging zu ihm. Sie schlang die Arme um seinen Hals, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn innig auf den Mund. Er schob einen Arm um ihre Taille, zog sie fest an sich und erwiderte den Kuss voller Leidenschaft.
Dieser Kuss war so süß und köstlich, dass es Amara schien, sie würde erblinden, während ihre Finger sein dunkles Haar durchwühlten und ihr Körper von den Berührungen seiner Hände und seines Mundes in Flammen gesteckt wurde.
»Ich dachte, nach dem langen Flug wäre dir ein anständiges Frühstück recht«, murmelte er. »Ich brate sie dir, wenn du hungrig bist.«
Amara wich langsam von ihm zurück und sah ihm in die Augen. »Ich verhungere«, sagte sie leise. »Sollen die Krähen die Fische holen. Du kannst sie hinterher braten.«
Plötzlich funkelte es hell in seinen Augen, aber er spielte den Verwirrten. »Hinterher?«
Sie fauchte ihn an, obwohl sie wusste, dass ihr Lächeln sie verraten würde, schlug ihm die Leine mit den Fischen aus der Hand und packte seine Tunika. Sie trat auf ihn zu, schob ein Bein hinter seines und drückte zu.
Er war zu schnell für sie und nutzte die Bewegung gegen sie. Sie ließ sich fallen, und er kam auf ihr zum Liegen und drückte sie auf den Boden. Wieder fanden sich ihre Lippen, und sie drängte sich gegen ihn, bewegte die Hüften und verlangte nach mehr.
Er unterbrach den Kuss und schnappte nach Luft. »Ach«, knurrte er, »hinterher!«
Amara lachte leise, doch ihr Gemahl küsste sie erneut, und nun widmete sie sich ihm mit atemloser Leidenschaft.
9
Tavi stand in dem Tal vor der Stadt Elinarcus und starrte auf einen Stein. Er blendete seine gesamte sonstige Umwelt aus. Nichts existierte außer ihm und dem Stein, einem von Wind und Regen abgerundeten Granitfelsen von der Größe eines Handkarrens. Er
atmete tief ein, konzentrierte sich und sagte dann deutlich und im Befehlston: »Komm hervor.«
Im Prinzip geschah erst einmal nichts.
Enttäuschung machte sich in ihm breit wie eine rote Blase, die sich in seiner Brust ausdehnte. Er kämpfte dagegen an und konzentrierte sich auf seine Atmung, ehe er den Stein erneut ansprach und nach dem Elementar zu greifen versuchte, von dem er wusste, dass er dort war. »Komm hervor.«
Die Reglosigkeit des Steins grenzte an Beleidigung.
»Sollen es die Krähen holen!«, knurrte Tavi. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, ruhig und zuversichtlich zu bleiben, und deshalb wurden die Worte nur leicht in Mitleidenschaft gezogen, als er sie hervorpresste und es ein letztes Mal versuchte. »Komm herv…«
Er war nicht ganz sicher, was ihn warnte. Möglicherweise hatte er einfach ein leises Geräusch hinter sich gehört. Genauso gut hätte es ein aufgeregtes Atmen oder katzenhafte Belustigung sein können, die er als Schauer auf seinem Rücken spürte. Vielleicht handelte es sich nur um eine fein singende Anspannung, die er inzwischen um jede Klinge herum spürte. Wahrscheinlich war es eine Mischung all dieser kleinen Umstände. Jedenfalls trafen sie in einem einzigen Gedanken zusammen, der plötzlich in seinem Kopf aufblitzte: Gefahr.
Er warf sich zur Seite und zog gleichzeitig seine Klinge. Dann wirbelte er herum und wandte sich, den Rücken auf der Erde, dem Angreifer zu, und seine Klinge wehrte das Schwert ab, das in einem wilden Hieb von oben auf ihn herabgeführt wurde. Die zwei Klingen krachten aufeinander, und grüngoldene Funken sprühten. Tavis Bewegung schob ihn weiter vorwärts, und er landete mit der nackten Schulter voran im Gras. Er lieh sich von dem Wind, der durch das kleine Tal wehte, ein wenig Geschwindigkeit, rollte sich zu einer Kugel zusammen, wälzte sich über das Gras und sprang wieder auf die Beine.
Er schwankte, erlangte jedoch das Gleichgewicht zurück, als
ein Stein von der Größe seines Kopfs auf sein Gesicht zuflog. Ihm blieb keine Zeit auszuweichen, deshalb stieß er den Handballen nach vorn, zog Kraft aus der Erde und schlug hart gegen den heranfliegenden Stein.
Der Stein zersprang in Splitter und Staub. Die scharfen Kanten rissen ein halbes Dutzend Kratzer auf seinem nackten Oberkörper auf und bescherten ihm zwei neue Schlitze in seiner Hose. Sein
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