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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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gleichzeitig auch gerade einen wahren Pantheon an Feinden überreicht bekommen, die eher Halbgöttern glichen als menschlichen Wesen.

    Und seine Tante - seine Mutter - hatte ihn sein Leben lang belogen.
    Die Stimme der Vernunft verlor den Kampf.
    »Sie hatte zwanzig Jahre Zeit, es mir zu erklären, wenn sie es so dringend wollte«, sagte Tavi mit rauer Stimme. »Sie hatte ein ganzes Leben lang Zeit. Jetzt muss ich mich um meine Legion kümmern.«
    »Tavi …«, begann Araris und wollte leise protestieren.
    »Hauptmann Scipio«, fauchte Tavi. »Ich habe Arbeit zu erledigen. Entweder begleitest du mich, oder du gehst mir aus dem Weg. Oder war es auch nur eine Lüge, als du mir die Treue geschworen hast?«
    Araris erstarrte. Plötzlich funkelten seine Augen vor Wut. Ohne ein Wort schloss er die Tür auf, trat zurück, öffnete sie für Tavi und nahm Haltung an.
    Tavi wollte schon verärgert hinaustreten, zögerte jedoch. Er konnte Araris nicht anschauen, nahm jedoch aus den Augenwinkeln wahr, dass Araris ihn anblickte. Tavi wurde ruhig und lauschte in die Stille. Oben waren keine Schritte mehr zu hören, keine Türen, die geöffnet und geschlossen wurden. Das Kommandogebäude fühlte sich gespenstisch leer an.
    »Ich habe es die ganze Zeit vor der Nase gehabt«, sagte Tavi. »Alle Teilchen. Selbst, was meinen Namen betrifft.«
    Araris erwiderte nichts.
    »Ich kann es nicht tun«, sagte Tavi leise. »Jetzt … Jetzt nicht. Es ist zu viel.« Der Vulkan aus Verwirrung und Schmerz drohte, abermals unkontrolliert auszubrechen, und Tavi bemühte sich, ruhig zu atmen und sich zu beherrschen. Er blickte Araris an.
    Die Miene seines Singulare blieb unbeteiligt wie ein Stein.
    »Ich werde mit ihr sprechen, sobald ich zurück bin.«
    Araris sagte nichts.
    »Ich habe Pflichten, die Vorrang haben«, sagte er ruhig. »Und du auch.«
    Einen endlosen Moment lang schwieg Araris. Dann schlug er
bedächtig die Faust vor das Herz, und seine Fingerknöchel klopften sanft auf die Rüstung. Als er sprach, war seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern, und seine Worte jagten Tavi einen Schauer über den Rücken.
    »Heil«, sagte er, »Heil, Gaius Octavian, Princeps von Alera.«

11
    »Kohorte!«, brüllte Marcus mit einer Stimme, die jeder einzelne Legionare in der Kohorte Prima hören konnte. »Halt!«
    Die Männer traten noch zweimal mit lautem Stampfen auf, dann herrschte plötzlich Stille, als die Reihen der Ersten Aleranischen die Kuppe eines niedrigen Bergzugs erreichten, von dem aus man die ersten Verteidigungsstellungen der Canim sehen konnte. Die Prima nahm wie immer die Mitte ein. Die Vierte stand auf der rechten Flanke und brauchte einen Moment, bis sich die Reihen ausgerichtet hatten. Die Siebte, deren Tribune mehr Zeit mit dem Exerzieren verbrachten, brauchte nicht nachzubessern.
    »Ein Dreitagesmarsch«, murmelte ein Veteran zu einem anderen, als Marcus an ihnen vorbeiging. »Wir haben es an einem Tag geschafft. Senatsgarde. Ein Haufen von Weicheiern, die ohne Dammweg nicht marschieren können.«
    Marcus schlug mit seinem Stab gegen den Schild des Veteranen und knurrte: »Ruhe im Glied!« Er starrte den Mann an. »Du könntest die Gefühle der Weicheier verletzen.«
    Niemand lachte (und die großen Elementare mochten jedem beistehen, der es gewagt hätte), doch einige Männer der Prima
konnten ein Prusten nicht unterdrücken, und Marcus spürte, wie sich daraufhin die angespannte, ihm nicht unbekannte Stille vor der Schlacht ausbreitete. Kein Scherz, kein Lied und kein Gebet konnten einem Soldaten die Furcht nehmen. Oh, natürlich gab es immer eine schöne Geschichte ab, wenn eine flammende Rede vor der Schlacht gehalten wurde. Aber in dem Moment, wo man dem Feind, der genauso zum Überleben entschlossen war wie man selbst, tatsächlich gegenübertrat, blieben von allen Reden nur hohle Worte, und die Männer wussten das.
    Der Scherz hatte allerdings geholfen, die Anspannung ein wenig zu lösen und den Männern das Gefühl zu geben, sie seien siegreiche Legionares : Sie würden ihren Beruf ausüben, und es war an der Zeit, mit der Arbeit zu beginnen.
    Marcus ging vor der Truppe auf und ab und tat sein Bestes, um so zu wirken, als sei ihm die Disziplin der Männer wichtiger als die Schlacht, die in fünfhundert Schritt Entfernung tobte. Der Kampflärm erreichte ihre Stellung wie das ferne Rauschen von Brandung, gnädigerweise undeutlich; ein Grollen von Trommeln, ein Plärren von Hörnern, ein Chor einzelner Schreie und Rufe.

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