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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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    Und wie er so darüber nachdachte, erschien es ihm ziemlich offensichtlich. Tavis Elementarwirken war noch immer durch seine mangelnde Fähigkeit begrenzt, einen manifestierten Elementar zu kontrollieren, aber wäre er noch an der Akademie gewesen, hätte er inzwischen zwei oder drei Perlen für jeden Zweig des Wirkens erworben. Obwohl es durchaus Wirker gab, und zwar insbesondere Abkömmlinge der Civitas, die in mehreren Bereichen der Elementarkräfte begabt waren, kam es doch außerordentlich selten vor, dass jemand, der nicht zu den Allerbegabtesten zählte, über Fähigkeiten im gesamten Spektrum der Elementarkräfte verfügte.
    Daher war es eigentlich offensichtlich gewesen, doch vielleicht hatte er sich einfach gewünscht, es möge nicht wahr sein. Denn wenn Araris recht hatte, wenn der Princeps tatsächlich mit seiner Mutter verheiratet gewesen war, so bedeutete das, dass er ein legitimer Erbe des Hauses Gaius war. Es hieß …
    Verfluchte Krähen. Der Erste Fürst hatte einen Erben.
    Und dieser Erbe war er. Tavi.
    Verfluchte Krähen. Es bedeutete außerdem, dass die gefährlichsten und ruchlosesten Menschen in ganz Carna seinen Tod herbeisehnten.
    Seinen. Tavis.
    Plötzlich passte ein Teilchen zum anderen. Er begriff, warum Gaius ihn an die Akademie gebracht hatte - damit er eine anständige Bildung erhielt. Damit er mit den Kindern der Civitas in Berührung kam. Er war bei den Kursoren ausgebildet worden und hatte die Kunst der Intrige und der Täuschung gelernt. Er
hatte zusammen mit Max in einem Zimmer gewohnt - einem weiteren Ausgestoßenen der obersten Gesellschaftsschichten, so wie eben Tavi auch. Da hatte sich ja fast zwangsläufig eine innige Freundschaft zwischen ihnen entwickeln müssen, und Tavi war sicher, Gaius hatte es von Anfang an geplant, um Tavi wenigstens einen Verbündeten mit den Elementarkräften eines Hohen Fürsten zu verschaffen.
    Und an der Stelle hatten die Machenschaften des Ersten Fürsten nicht geendet. Tavi war in eine Legion geschickt worden, um die Kunst von Strategie, Taktik, Versorgung und Führung zu lernen. Sicherlich hatte Gaius nicht erwartet, dass Tavi plötzlich an der Spitze stehen würde, aber der Erste Fürst, sein Großvater, musste mit dem Ergebnis eigentlich zufrieden sein.
    Gaius.
    Sein Großvater.
    Er hatte einen Großvater.
    Tavi wusste, er atmete zu hektisch, und davon wurde ihm schwindelig, aber zu viele Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Er wusste nicht, ob er schreien oder auf etwas einschlagen wollte, ob er davonlaufen oder lachen oder zu weinen anfangen wollte. Vorstellungen und Erinnerungen und Zukunftsträume vermischten sich, und letztendlich stand nur eines sicher fest.
    Alles war anders.
    Alles.
    »Ich … Ich …« Tavi schluckte und zwang sich, mit dem Stottern aufzuhören. »Ich wusste, Tante Isana hat mir einiges über meine Eltern verschwiegen, aber …«
    Araris schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder und sah Tavi an. »Nein, Tavi. Es gibt vieles, das deine Mutter dir nicht über deinen Vater erzählt hat.«
    Tavi runzelte die Stirn und öffnete den Mund, um die nächste Frage zu stellen - dann hielt er abrupt inne, als er hörte, wie vorsichtig Araris das Wort Mutter betonte.
    Vieles, das seine Mutter ihm nicht erzählt hatte.

    Nicht Tante Isana.
    Seine Mutter.
    Isana. Isana war seine Mutter.
    Plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals, und in seinem Bauch breitete sich ein heißes Brennen aus. Es war, als würde jede noch so kleine Wunde, die sein Herz im Laufe der Jahre verletzt hatte, jeder kleine Schmerz, den das einsame Kind empfunden hatte, jeder Stich, der ihn durchbohrte, wenn andere Kinder nach seinen Eltern fragten, jeder Moment der Sehnsucht nach irgendetwas, das diese Leere füllen könnte, den Platz, wo seine Eltern hätten sein sollen, als würde all dies im gleichen Augenblick wieder in Erscheinung treten und diesen Raum mit dem geballten Herzschmerz eines ganzen Lebens füllen.
    Tavi drehte den Kopf, umklammerte die Brust und glitt mit den Fingern über den Panzer. Natürlich war es kein körperlicher Schmerz, aber das machte ihn nicht geringer, nicht weniger schrecklich.
    »Ihre Schwester wurde bei dem Marat-Überfall bei der Ersten Schlacht von Calderon getötet«, sagte Araris. »Wie beinahe alle. Du wurdest in der gleichen Nacht geboren.« Sein Gesicht verdüsterte sich vor Traurigkeit. »Isana glaubte, Septimus sei von einem anderen Aleraner verraten worden, und wenn seine Feinde erführen, dass er

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