Der Protektor von Calderon
zitterten.
Falls die Fürstin je an die Macht gelangen sollte, musste sie wenigstens den Anschein von Rechtschaffenheit wahren, und Marcus wusste viel zu viele unangenehme Dinge über sie und ihren Gemahl. Sicherlich, sie hatte durchaus ein gewisses Ansehen - aber andererseits gestattete sie niemanden, ihr beim Erreichen ihrer Ziele in die Quere zu kommen. Er hatte Jahre gebraucht, bis er die gierige Natur ihres Ehrgeizes durchschaut hatte.
Er folgte diesem Gedankengang bis zu seinem logischsten und wahrscheinlichsten Ende.
Nachdem sie und ihr Gemahl sich die Krone aufs Haupt gesetzt
hätten, würde Marcus für sie zu einer Belastung werden, derer sie sich schnellstens entledigen müssten.
Und sollte sie herausfinden, dass er sich gegen sie gewandt hatte, würde sie ihn vom Antlitz der Erde tilgen.
Und wenn der Hauptmann je erfuhr, wer er in Wirklichkeit war, so würde er zwar vermutlich nicht so dramatisch, doch mit gleicher Voreingenommenheit reagieren.
Marcus saß auf der Pritsche, und seine Hände zitterten.
Wenigstens hatte er dem Hauptmann das Leben gerettet. Das war schon etwas. Solange der junge Mann lebte, würde er handeln - und bestimmt hatte der Hauptmann nicht die Absicht, still in einer Zelle zu sitzen, während die Marionette der Aquitanias, der Senator, eine Reihe von Siegen errang und damit zu Ruhm und Einfluss gelangte. Solange der Hauptmann lebte und etwas unternehmen konnte, bestand Hoffnung für Aleras Zukunft.
Nur leider nicht für seine eigene.
Zu den Krähen damit. Er hatte sowieso nie geplant, an Altersschwäche zu sterben.
19
Urplötzlich erstarrte Bernard, dann hob er die Hand und gab ihnen ein Zeichen, in Deckung zu gehen. Amara eilte zwei Schritte nach vorn, um Gaius zu stützen, der auf ein Knie ging und den Gehstock umklammerte, den Bernard für ihn geschnitzt hatte, bevor sie wieder aufgebrochen waren. Sie half dem Ersten Fürsten, sich flach auf die kühle, feuchte Erde zu legen, und ließ sich dann neben ihm nieder.
Gaius stöhnte leise vor Schmerzen und fasste sich ans Bein, verstummte jedoch sofort und rührte sich nicht mehr. Das Gesicht hatte er zu einer Grimasse verzogen.
Amara legte dem alten Mann die Hand auf den Arm, um ihn zu ermutigen, und schaute Bernard stirnrunzelnd an - oder besser gesagt, sie sah auf die Stelle, wo sie Bernard vermutet hatte. Die Schatten der Bäume und des Unterholzes hüllten ihn jedoch ein wie ein Mantel, und durch das Holzwirken wurde er vollständig unsichtbar.
Sie hörte leise Schritte vor sich, und dann veränderte sich das Licht ein wenig, als Bernard in sein Holzwirken auch sie und den Ersten Fürsten mit einbezog. Nun war Bernard auch wieder zu sehen, obwohl sein Gesicht weich und dunkel wie in tiefem Schatten erschien. Er hatte den Bogen in der Hand und einen Pfeil aufgelegt. So stand er vor ihnen und schaute aufmerksam nach vorn.
Dann hörte Amara es, das Klack-klack, Klack-klack eines gehenden Pferdes, dessen Hufe auf einen festen Weg treten. Bald gesellten sich weitere dazu, und nach einer halben Minute sah sie die Reiter. Es waren sechs, alle in das Leder von Waldläufern gekleidet, obwohl jeder von ihnen das grün-graue Wappen von Kalare vorn auf der Jacke trug. Also waren es Vorreiter einer Legion, möglicherweise Räuber, die sich gegen Bezahlung in die Dienste von Kalarus gestellt hatten und gleichzeitig ihr altes Geschäft weiterbetrieben. Sie waren schwer bewaffnet mit Jagdbogen, Speer mit breiter Spitze sowie Klingen und Äxten, die am Sattel hingen.
Schweigend ritten sie vorbei, nur der Hufschlag der Tiere war zu hören. Es war nun schon die zweite Gruppe, auf die sie in den letzten beiden Tagen stießen, nur die andere war doppelt so weit entfernt gewesen. Diese Männer hingegen kamen ihnen so nahe, dass Amara die Flecken auf ihren Tuniken und die abgenutzten Sohlen ihrer Stiefel erkennen konnte. Unwillkürlich hielt sie den Atem an und bemühte sich, still zu bleiben.
Die sechs waren bereits vorbei, und langsam begann Amara sich wieder zu entspannen, als sich der letzte Reiter plötzlich umschaute, sein Pferd zügelte und abstieg. Er schlang die Zügel um einen niedrigen Ast und ging genau auf die drei zu.
Bernard bewegte sich langsam und ruhig. Er hob den Bogen und zog die Sehne vorsichtig durch.
Der Geächtete wandte sich von ihnen ab, als er noch zwanzig Fuß entfernt war, seufzte und erleichterte sich an einem Baumstamm.
Amara konnte die Sehne auf dem Bogen ihres Gemahls nicht einmal durchziehen, doch
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