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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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nickte Heyden zu. »Ich warne Euch, junger Lord, stellt mir ja nichts an. Ich werde nicht zögern, Euch wie ein Fellbündel zu verschnüren.«
    Heydens Blick huschte ein wenig gehetzt von Reylan zu Matteo. »Ich passe schon auf, dass er keine Dummheiten macht, Marschall Reylan.«
    Grob stieß er Matteo vorwärts. Sobald sie außer Sichtweite waren, löste er die Fesseln. Beim Anblick von Matteos Handgelenken sog er zischend den Atem ein.
    »Das sieht übel aus, mein Prinz«, sagte er. »Zeigt das ruhig Reylan. Mit ein bisschen Glück hat er ein Einsehen mit Euch.«
    Verdutzt über so viel Freundlichkeit starrte Matteo ihn an. Was sollte er von dem jungen Soldaten mit der Narbe am Kinn halten?
    Heyden wies auf das Gebüsch. »Los, macht schon. Reylan ist nicht der Geduldigste«, knurrte er, als wäre ihm eben klar geworden, dass er ja mit einem Gefangenen sprach.
    Seltsamer Typ.
    Als Matteo zurückkam, wollte Reylan ihn wieder fesseln.
    »Ich werde nicht fliehen«, sagte Matteo und wies seine blutig gescheuerten Gelenke vor. »Ich komme freiwillig mit.«
    Nachdenklich strich sich Reylan über das Kinn. »Und das soll ich Euch glauben?«
    »Ich schwöre. Ich will zur Kaiserin, das habe ich Ihnen schon damals im Zelt erklärt.«
    Reylan zog ein zweifelndes Gesicht.
    »Fellbündel«, fügte Matteo seufzend hinzu.
    Reylan entwich ein Grinsen. »Ihr habt Humor. Das gefällt mir. Gut, soll mir Recht sein. Aber vergesst nicht, ich behalte Euch im Auge.« Er griff nach den Zügeln des Barcas und bedeutete Matteo aufzusteigen. »Ihr dürft sogar allein reiten«, sagte er und schwang sich seinerseits auf ein anderes Barca.
    Ein Soldat führte Lith herbei. Matteo verwunderte es zu sehen, dass sie nicht gefesselt war. Wie das? Reylan hatte doch Lenard gegenüber behauptet, Lith sei seine Gefangene. Das hier erweckte aber einen ganz anderen Eindruck. Sie hatten ihr sogar Stiefel gegeben und Kleidung – eine Uniformhose und ein Hemd –, die ihr um zwei Nummern zu groß war und sie trug ein weißes Tuch als Stirnband um den Kopf geknotet. Es ließ sie verwegen aussehen.
    Der Soldat half ihr auf das Barca und als sie oben saß, blickte sie Matteo das erste Mal direkt an. Was war es, das in ihren Augen lag? Schuld? Bedauern? Die Bitte um Verzeihung? Kurzerhand lenkte er sein Barca neben ihres.
    »Du bist hier«, sagte sie schlicht und Matteo war sich nicht sicher, ob sie erleichtert klang oder überrascht.
    »Ja«, gab er zurück, »nicht zu fassen, oder? Frisch eingeflogen, direkt vom Galgen.«
    »Ich bin froh, dass du am Leben bist.«
    »Woher weißt du überhaupt Bescheid? Ich dachte, du wärst längst über alle Berge.«
    »Du vergisst, was ich bin.« Sie lächelte leicht. »Ich weiß immer, wo du bist und wie es dir geht. Ich weiß, was du fühlst …« Ihre Stimme erstarb.
    War das so? Ich bin eine Squirra , hatte sie bei ihrem ersten Zusammentreffen erklärt. Ich sehe mehr. Matteo hätte alles dafür gegeben, einmal, nur einmal Zugang zu ihren Gedanken zu erhalten. Vielleicht könnte er dann endlich verstehen, was in diesem Mädchen vorging. Warum sie so und nicht anders handelte.
    »Schluss mit dem Geplauder.« Reylan drängte sein Barca zwischen ihre. »Heyden, du reitest mit mir und dem Prinzen vorneweg, die anderen bewachen die Squirra. Maris und Inor – Schlusslicht. Alle Mann Abritt!«
    Der kleine Trupp setzte sich in Bewegung. Sechs Soldaten, Reylan, Lith und Matteo. Wann würden sie den Palast erreichen?
    Jetzt, wo sich Matteo entschieden hatte, konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen und da traf es sich gut, dass Reylan ein ordentliches Tempo vorgab. Sie fegten im Galopp durch die Dämmerung, und Kiraşa und die Schlacht blieben als tiefer Schrecken hinter Matteo zurück.
    Die Landschaft war flach und trocken, nur selten säumten Bäume und Büsche ihren Weg. Der Wind peitschte das dürre Gras, fuhr durch die Mähnen der Barcas und wob daraus dunkle Spinnweben über ihren Hälsen. Im abendlichen Zwielicht schwanden zusehends die Farben, dichtes Grau tränkte die Steppe und bald waren die beiden Männer neben Matteo nur mehr fließende Schemen.
    Genau wie seine Gedanken. Was würde ihn in Wonhális erwarten? Dylora – Khors Mutter, seine Mutter. Sie wollte ihn töten, das wusste er nun mit Sicherheit, aber auf welche Weise? Wie führte man den Puls nun dem Quell zu? Und was konnte er gegen sie ausrichten? Er war ein Junge, ein Gefangener, und sie war eine Nachfahrin der Elfen, eine Frau, die über besondere

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