Der Puppen-Galgen
werden, aber noch war nichts zu sehen und nichts zu hören. Nicht eine Bewegung erregte unsere Aufmerksamkeit. Die umfriedete Welt hier schien sich von der übrigen losgelöst zu haben.
Suko und ich leuchteten das Geviert so gut wie möglich aus. Die Strahlen tasteten sich weiter vor, sie tupften gegen die schmutzigen Rückseiten der Häuser, und sie erfaßten plötzlich ein anderes Ziel.
Es war kein Flimmern, eher ein knappes Blinken, als das Licht über Metall hinweggestrichen war.
Suko stieß einen Zischlaut aus.
»Das muß Metall sein.«
»Und?«
»Ein Geländer.« Er leuchtete noch einmal hin, ging dabei auch vor und schwenkte die kleine Leuchte.
Es stimmte. Das Licht hatte ein Geländer getroffen. Es gehörte zu einer nach unten führenden Treppe, die wir ebenfalls bald sahen.
Neben mir konnte Jane Collins ihr leises Lachen nicht unterdrücken.
»Wunderbar«, sagte sie. »Eine Treppe gehört einfach zu einem Kellertheater, finde ich.«
»Dann hätten wir ja den Weg.«
Nach meiner Bemerkung schaltete Suko die Lampe aus. Auch ich ließ meine wieder verschwinden. Wir hatten genug gesehen und würden uns in dieser düsteren Umgebung zurechtfinden. Trotzdem blieben wir vorsichtig. Ich drehte mich öfter um als die anderen beiden, was diese schon wieder nervös machte.
»Hast du jemanden gesehen?« fragte Jane leise.
»Nein, noch nicht. Aber ich rechne komischerweise damit, daß man uns observiert.«
»Sie?«
Ich hob die Schultern.
»Die ist bestimmt im Theater«, sagte Suko, »und hat ihre Puppen im Stich gelassen.«
»Aber nicht für immer«, flüsterte Jane. »Die weiß doch verdammt gut, daß sie auf die kleinen Killer zählen kann. Wenn sie zurückkehrt, will sie mich tot sehen.«
»Und ich frage mich nach dem Grund, sollte es dann so sein«, sagte Suko.
»Da steckt noch jemand anderer dahinter!« bemerkte ich.
Suko schaute mich nur an. Eine Frage stellte er nicht. Ich behielt meinen vagen Verdacht auch für mich, da wir den Beginn der Treppe erreicht hatten und vor der obersten Stufe stehenblieben. Hier gab es kein Licht.
Das Geländer schützte den Schacht links von uns. Der Handlauf war über die rostigen Gitter gespannt.
»Darf ich deine Lampe haben, John?« fragte Jane Collins. Ich gab sie ihr.
Auch Jane Collins stand unter Druck. Der Strahl zitterte, als sie in die Tiefe leuchtete. Die Stufen sahen nicht vertrauenerweckend aus. Wer sie hinablief, mußte schon achtgeben.
»Okay, gehen wir!« sagte die Detektivin. Sie war nicht zu halten. Suko und ich ließen sie vorgehen, aber wir selbst blieben noch stehen, denn wir hatten etwas gehört. Auch Jane ging nicht weiter, drehte sich nach links und schaute zum Himmel.
Wir alle hatten ein Geräusch gehört, das in diese Stille oder Umgebung einfach nicht hineinpaßte. Es war über unseren Köpfen erklungen. Ein seltsames Geräusch, wie eine Botschaft. Ein Flattern. Als wäre jemand dabei, hoch über unseren Köpfen einen Teppich auszuschlagen, aber es segelte kein Staub nach unten.
Unsere Köpfe bewegten sich. Wir wollten so viel wie möglich absuchen.
Aber uns irritierte noch im Moment der gefleckt wirkende Himmel, wobei sich ein Ausschnitt dort bewegte, als hätte sich etwas von ihm gelöst.
Ein Schatten wie ein gewaltiger Vogel flatterte quer über den Hof und suchte sich einen Landeplatz aus. Den fand er auf einem Hausdach links von uns.
Dort faltete sich der Schatten zusammen.
»Das kann kein Vogel ein!« stieß Suko hervor. Ich gab ihm recht.
Einen Atemzug später richtete sich der Vogel wieder auf. Aber ein Vogel konnte nicht auf zwei Beinen stehen, so etwas gelang nur einem Menschen. Das allerdings war dieses Wesen auf dem Dach auch nicht.
Wir standen ziemlich weit entfernt, zudem war es dunkel, aber wir sahen trotzdem, wer uns da einen Besuch abgestattet hatte.
Das dunkelrote D auf der Stirn war einfach nicht zu übersehen. Meinen Körper durchfuhr ein Adrenalinstoß. Suko neben mir stöhnte auf, und Jane schnappte nach Luft.
»Er ist es!« flüsterte ich. »Meine Ahnungen. Verdammt noch mal, sie haben sich bestätigt.«
Den Namen der Gestalt brauchte ich nicht auszusprechen, denn jeder von uns wußte, daß wir es mit Will Mallmann alias Dracula II zu tun hatten…
***
»Und damit hat sich einiges für uns geändert«, sagte ich leise und räusperte mich.
»Wieso?« flüsterte Jane.
»Ist doch klar. Es geht nicht mehr allein um Irielle Fenton. Er ist derjenige, der die Fäden zieht. Oder glaubst du, daß er sie
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