Der Puppen-Galgen
nickte. »Ja, ich auch.«
»Noch in dieser Nacht!« flüsterte Mallmann. Er drehte sich um, ging bis an den Rand der Bühne und schaute hinein in den leeren Zuschauerraum, als wollte er alles durchsuchen und sich jeden Sitz einzeln anschauen.
Mehr zu sich selbst sprach er dann weiter. »Es ist möglich, daß die Collins nicht allein kommt. Du weißt schon, wegen Sinclair. Deshalb werde ich Vorsorgen.«
»Was willst du tun?«
Er drehte sich abrupt um. »Das ist einzig und allein mein Problem. Du bleibst genau hier auf der Bühne stehen und gehst auf keinen Fall fort. Verstanden?«
»Ich mache alles, was du willst.«
»Deshalb wirst du dich im Dunkeln verstecken. Laß das Licht aber brennen. Es wird sie locken. Und laß auch die Puppen in der Schlinge.«
»Darf ich dich etwas fragen?«
»Sicher.«
»Was ist mit meinen anderen Puppen? Oder was wird noch mit ihnen geschehen?«
»Sie waren Helfer. In ihnen steckt das Blut des alten Steins, ich hatte Zeit genug, um sie zu präparieren. Aber wir werden sie bald nicht mehr brauchen. Vergiß sie.«
Melles Lippen zuckten. Zwar bewegte sie sich jetzt in einem neuen Leben, aber das alte war noch nicht vergessen. Die Puppen waren für sie ungemein wichtig gewesen.
Sie hatte ihr Leben darauf aufgebaut.
»Vergiß sie!« fuhr Mallmann seine Braut an. »Sie sind nur ein Lock- und Hilfsmittel gewesen.«
Melle Fenton nickte. »Ja, ich werde sie vergessen.«
Der Vampir war zufrieden. Er trat noch einen weiteren Schritt vor und hatte damit den Rand der Bühne erreicht. Plötzlich stieß er sich ab. Er sprang nach unten, und für die auf seinen Rücken schauende Irielle sah es so aus, als würde er den Boden gar nicht berühren, sondern einfach darüber hinwegfliegen.
Wie eine Fledermaus…
Dann hatte ihn das Dunkel des kleinen Zuschauerraums verschluckt.
Auch Melle zog sich zurück. Sie tauchte ein in die Dunkelheit hinter dem Licht.
Aber sie konnte sehen, sehr gut sogar. Vor ihr fiel der Schein nach unten und zeichnete die in der Schlinge hängende Puppe überdeutlich nach…
***
Es war eine irgendwie verlorene Gegend, in die wir gefahren waren. Eine Ecke dieser Stadt, die ich so gut wie nicht kannte, und meinen beiden Begleitern ging es ebenso. Auch sie hatten sich hier noch nicht herumgetrieben.
Das Licht der Scheinwerfer hellte von der dunklen Graue der Nacht nur einen Teil auf. Der große Rest blieb eingepackt in den tiefen Schatten der alten, grauen Häuser, hinter deren Fenstern nur wenige Lichter brannten. Zumeist hatten wir den Eindruck, durch einen Tunnel zu fahren.
»Es muß hier irgendwo sein«, sagte Jane. »Ich glaube schon, daß wir richtig sind.«
»Das hoffe ich.«
»Wir könnten ja zu Fuß weitersuchen«, schlug Suko vor. »Oder jemanden fragen, wenn wir einen Menschen sehen.«
An diese Möglichkeit hatte ich auch schon gedacht, deshalb stimmte ich auch zu. An der nächsten schmalen Kreuzung fuhr ich nach links. Dort hatte sich der Wind gefangen und trieb Abfall vor Janes Wagen her und über die Straße hinweg.
Auf dem schmalen Gehsteig sahen wir nur wenige Menschen. Vor uns, auf der linken Seite, leuchtete blaß die Reklameschrift einer Kneipe.
Toreinfahrten gähnten wie Höllenlöcher. Dahinter und in ihnen ballte sich die Dunkelheit zusammen.
Ich hielt an. Die vordere Stoßstange berührte beinahe einen Sperrmüllhaufen, den jemand auf der Straße errichtet hatte. Ein kurzes Antippen, und er wäre sicherlich umgekippt.
Wir stiegen aus.
Es war kühl.
Es roch auch komisch.
Nach altem Zeug, nach irgendwelchen Abwässern oder ähnlichen Dingen.
Ich schloß die Tür ab und fragte, ob Jane den Schlüssel zurückhaben wollte.
»Nein, nein, behalte ihn mal.«
»Okay, dann schauen wir uns mal um.«
Den Satz hatte ich kaum beendet, da wurde eine Haustür in unserer unmittelbaren Nähe geöffnet. Ein schwacher Lichtschein fiel auf den Gehsteig. Wir zogen uns sofort aus seinem Bereich zurück und warteten, was geschehen würde.
Zwei junge Männer verließen das Haus. Sie schleppten etwas nach draußen, was sicherlich zum Sperrmüll gehörte, der hier schon auf Nachschub wartete.
Es waren verbogene Eisenteile, die sie in einem Karton untergebracht hatten. Zur Hälfte schauten sie noch hervor, und die beiden Männer hatten schwer daran zu tragen. Uns sahen sie erst, als sie sich über den parkenden Golf aufgeregt hatten und wir den Schatten an der Hauswand verlassen hatten.
Plötzlich nahmen sie eine Kampfhaltung ein. Beide trugen
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