Der Puppendoktor
neben ihr nieder. Damit ihre drei Handtücher nebeneinander Platz hatten, brauchte er nur die Schuhe der Nachbarn ein wenig zur Seite zu schieben. Caro hänselte Marcel liebevoll, weil sein Gesicht so viel brauner war als der restliche Körper.
»Mann, was für'n Spießer! Sicher ein Nordlicht!«
»Ich habe im Moment nicht viel Zeit, an den Strand zu gehen. Mit dieser Geschichte .«
»Und? Immer noch nichts?«
»Nichts. Und, und ganz im Vertrauen, heute Morgen gab's einen neuen Mord.«
Der Nachbar zur Rechten spitzte die Ohren und stellte sein Transistorradio leiser.
»Schon wieder! Aber das ist ja Wahnsinn!«, rief Caro angewidert aus.
»Du sagst es .«
Marcel grub seine Zehen in den glühend heißen Sand. Caro sah ihn ernst an.
»Sag mal, Marcel, dieser Typ, hat der's auf dich abgesehen, oder was?«
»Das frage ich mich allmählich auch«, antwortete Marcel finster.
Ballspielende Halbwüchsige bedachten sie mit einem ausgiebigen Schwall von Sand und wurden von einem ebenso ausgiebigen Schwall von Flüchen verjagt. Marcel ertappte sich dabei, sich diese Rabauken in den geschickten Händen des Puppendoktors vorzustellen. Dann verscheuchte er diese Gedanken rasch, die seiner Uniform unwürdig waren. Apropos Uniform: Hatte Madeleine daran gedacht, sie zu bügeln?
Jean-Jean stützte den Kopf in die Hände und schüttelte ihn, als könnte er so eine Lösung hervorbringen. Das einzige Ergebnis war eine Migräne und ein sonderbar rasselndes Geräusch. Er gab den magischen Ansatz auf und überflog noch einmal die von Ramirez aufgestellte Liste mit den Laboren. Wie sollte man herausfinden, welches das Richtige war? Niemand würde zugeben, dass er illegal mit Tieren handelte. Und wenn … JeanJean griff zum Telefon.
»Costello? Ich möchte wissen, ob Martin in einem Labor gearbeitet hat … Ja. So schnell wie möglich.«
Er legte auf und nahm die Akte erneut zur Hand, um die ganze Geschichte noch einmal zu rekapitulieren. Die Ergebnisse der Routineermittlungen. Kein Zeuge in Sicht. Kein Motiv. Kein Indiz, das dazu angetan wäre, den Mörder zu identifizieren, von dem man lediglich wusste, dass er weiß war, kräftig, geschickt, in der Lage zu ejakulieren, und dass er mit großer Sicherheit eine Gefriertruhe besaß, was bei mindestens dreißig Prozent der männlichen Stadtbevölkerung der Fall war. Und dass er etwas gegen Jean-Jean hatte, von dem er die Privatnummer in Erfahrung gebracht hatte, obwohl sie nicht im Telefonbuch stand. Aber wie?
Und wie hatte der Mörder wissen können, dass Costello Martin verhören wollte?
Er seufzte, versuchte es mit einem anderen Ansatz, diesmal ausgehend von den Opfern. Aber auch hier war kein Schema zu erkennen. Herblain hatte bestätigt, dass der Kopf der Blondine, die dem Buckligen eine letzte Fellatio besorgt hatte, der eines Mannes war. Hatte der Mörder ihn wie eine Frau geschminkt? Oder handelte es sich ganz einfach um einen der vielen Transvestiten, die in Hafennähe ihrem Gewerbe nachgingen? Er hatte Rudy la Fouine das Foto von dem Kopf gezeigt für eine eventuelle Identifizierung.
Eine blonde Kassiererin, ein Bartträger, ein fixender Clochard, ein Fettleibiger, ein Hund, ein blonder Transvestit, ein Buckliger. Steckte eine Logik dahinter wie bei diesen Tests, bei denen man in einer Serie von Zahlen die nächste raten musste? Waren es symbolische Opfer, die für den Mörder oder für die Gesellschaft etwas darstellen sollten?
Wenn man berücksichtigte, dass der Transvestit die Erscheinung einer Frau besaß, konnte man sagen, dass es zwei Blondinen, zwei Alte und ansonsten Exemplare ohne gleiche Merkmale gab.
Mann, Frau, es war immer eine Mischung Mann-Frau. Gehörte der Mörder ins Milieu der Transvestiten, oder war er ein total Verklemmter?
Sechs Uhr schon! Heute Abend war Training. Jean-Jean erhob sich. Es würde ihm gut tun, auf etwas einzuschlagen.
Nachdem er zwei Stunden geschwitzt hatte, fühlte sich JeanJean besser. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Blanc, der mit seinen Kumpels, dieser ganzen Bande von der Place Jean-Jaures, herumblödelte.
Die beiden Mechaniker von der Werkstatt waren auch da, der Kleine und der Große. Jean-Jean konnte sie nicht riechen; er schob ihnen die Schuld für die Pannen seines geliebten Lagunas in die Schuhe. Sicher unterhielten sie sich gerade über die Morde, denn Blanc sprach im Flüsterton und warf immer wieder einen flüchtigen Blick zu ihm herüber. Dieser Idiot sollte sich in Acht nehmen. Dies war nicht der richtige
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