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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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ihm. Er beugte sich zu der Dienst habenden Polizistin am Empfang vor, eine Dunkelhaarige, die so muskulös war wie ein professioneller Ringer.
    »Wenn jemand nach mir fragt, ich bin gleich zurück, es dauert nicht länger als eine halbe Stunde.«
    »In Ordnung, mein armer Marcel. Nur Mut!«
    Ohne sich durch diese wenig tröstlichen Worte aufhalten zu lassen, lief Marcel, der durch das unendliche Warten und die Nervenanspannung überreizt war, auf die Straße.
    Um Punkt neun Uhr klingelte er bei dem kleinen Mann. Der erstarrte. Schon die Polizei? Er schlug eilig den Deckel der Gefriertruhe zu, in der der große, bis zum Rand gefüllte Müllsack lag. Zu spät. Was sollte er tun? Ein zweites, gebieterisches Klingeln. Er schob ein Messer in den Ärmel und knöpfte sorgfältig die Manschette seines Blaumanns zu. Die Klingel ertönte zum dritten Mal, noch länger und eindringlicher. Der kleine Mann atmete tief durch und ging, um zu öffnen. Durch den Türspalt sah er Marcels wütendes Gesicht.
    »Sie ist hier, gib's zu?«
    Also gut!
    »Was redest du da? Du bist ja verrückt, Marcel!«
    »Geh aus dem Weg!«
    Marcel stieß den kleinen Mann heftig beiseite und trat in das Zimmer mit den schmutzigen Fensterscheiben.
    Ich mag es nicht, wenn man mich so herumstößt. Ich mag das nicht, o nein, ich mag das nicht!
    »Madeleine!«
    Sie wird dir nicht antworten, mein Freund!
    »Aber Marcel, ich habe dir doch gesagt, dass sie nicht hier ist!«
    »Warum hast du dann so lange gebraucht, um die Tür aufzumachen?«
    Weil ich erst das Stück Busen von deiner Frau aufessen musste.
    »Ich war auf dem Klo. Ist das vielleicht verboten?«
    »Wie hat sie es erfahren, hm? Wie hat sie es erfahren?«
    »Was? Wovon redest du denn, Marcel?«
    Marcel zögerte, stürzte in die Küche. Das Herz des kleinen Mannes wäre fast stehen geblieben. Aber Marcel kam schon zurück, er drehte sich um sich selbst wie ein aggressiver Boxer.
    »Hast du ihr das mit dem Express erzählt?«
    Das brauchte ich nicht zu tun.
    »Bist du verrückt oder was? Für wen hältst du mich?«
    »Ich bin sicher, dass sie es erfahren hat. Sonst wäre Madeleine nicht gegangen. Aber wo kann sie nur stecken, verdammt noch mal?!«
    Du sitzt fast drauf.
    »Hast du ihre Schwester angerufen?«
    »Ja, sie hatte sich mit ihrem Schwager gestritten. Sie ist vorgestern gegen fünf Uhr losgefahren, und seither haben sie nichts von ihr gehört.«
    Sie wäre besser bei ihr geblieben, das ist sicher. Gut, beruhigend auf ihn einwirken.
    »Hör zu, meiner Ansicht nach machst du dir ganz umsonst Sorgen. Sie ist völlig verstört wegen der Scheidung. Vielleicht braucht sie einfach Abstand, um wieder zu sich zu kommen.«
    Marcel stand an den Resopaltisch gelehnt und ließ den Blick durch die Küche gleiten: der Kühlschrank, das Spülbecken, die Gefriertruhe, das Fenster … Seufzend trat er einen Schritt vor.
    »Entschuldige, ich verliere noch den Verstand. Weißt du, auch wenn wir uns trennen, habe ich Madeleine doch immer noch gern. Hast du gesehen, dass deine Fensterscheibe kaputt ist?«
    Bei mir ist noch mehr kaputt.
    »Oh, das ist nicht weiter schlimm, ich habe beim Öffnen etwas heftig daran gerüttelt .«
    »Also, ich muss gehen. Wenn du irgendwas hörst .«
    Verschwinde, Marcel, spürst du nicht die schlechten Schwingungen?
    »Du kannst dich auf mich verlassen. Das kommt alles wieder in Ordnung, du wirst sehen .«
    Der kleine Mann brachte Marcel zur Tür und klopfte ihm auf die Schulter.
    Du bist groß, du bist muskulös, du wirst leiden, mein Freund. Aber du wirst nie genug leiden. Niemand leidet genug. Niemand hat genug Hunger.
    »Nun komm, mach dir keine Sorgen, sie kommt schon zurück!«
    Marcel lächelte schwach und ging mit gebeugtem Rücken durch das Gittertor.
    Der kleine Mann schloss die Tür und lachte laut los. Er schob den Ärmel hoch. Die Spitze des Messers hatte seine Haut in der Ellenbeuge aufgeritzt. Das Blut perlte heraus. Nachdenklich leckte er es ab. O verflucht, 9.15 Uhr, er würde in der Werkstatt verdammten Ärger bekommen. Glücklicherweise könnte er immer noch sagen, dass Marcel nicht hatte gehen wollen. Außerdem hatte er Zeit bis zum Abend, um nachzudenken. Die Bullen würden vielleicht in der Werkstatt vorbeikommen, aber das wäre auch alles. Es ging schließlich nur um ein Verschwinden, sozusagen eine Flucht, eine Kleinigkeit.
    Und wenn er die Stücke nachts in aller Ruhe braten würde? Wenn er die Knochen auslösen und in die Mülltonne werfen würde? Er könnte

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