Der Puppendoktor
sie kümmerte .
Sie legte die Hand auf die Klinke der alten Tür. Verriegelt. Ehebrecher, aber vorsichtig.
Madeleine ging langsam um das Haus herum und stieß einen zufriedenen Seufzer aus: Der Küchenfensterladen war nicht geschlossen. Erfolglos versuchte sie, das Fenster aufzudrücken.
Ein Kipplaster näherte sich mit ohrenbetäubendem Getöse. Madeleine holte tief Luft, und als er scheppernd auf ihrer Höhe angekommen war, ließ sie ihre Handtasche kreisen und schleuderte sie mit aller Kraft gegen die Scheibe, die mit einem trockenen Knall zerbrach. Madeleine hielt den Atem an. Der Lastwagen hatte an der roten Ampel angehalten, sodass man sie von den gegenüberliegenden alten Häusern aus nicht mehr sehen konnte. Sie schob die Hand durch das Loch und drehte den Fenstergriff um. Das Fenster öffnete sich, und Madeleine stieg ohne Schwierigkeiten über den Mauerrand. Die Ampel schaltete auf Grün. Der Lastwagen fuhr wieder an. Mit klopfendem Herzen stand sie in der Küche, doch nichts rührte sich. Kein Laut. Mit ihrer Nagelfeile bewaffnet, machte sich Madeleine auf den Weg zum Wohnzimmer, bereit, den Unzüchtigen die Augen auszustechen.
Kaum war Madeleine gegangen, hatte Jacky den kleinen Mann gefragt:
»Sag, war das nicht Madeleine, mit der du gerade geredet hast?«
»Ja, sie sucht Marcel.«
»Hast du ihr nicht gesagt, dass er wegen dieser Schlägerei auf dem Parkplatz ist?«
»Das wusste ich nicht.«
»Wann du wohl mal endlich auf das Acht gibst, was um dich herum passiert!«, lächelte Jacky.
Schnauze, du Wurm!, dachte der kleine Mann und winkte ihm freundschaftlich zu. Er ging zurück in die Werkstatt und wischte sich nachdenklich die ölverschmierten Hände an der Latzhose ab.
Madeleine wusste also wegen des Lieferwagens Bescheid. Sie war Marcel auf der Spur. Und da er nicht auf seinem Platz war, glaubte sie vielleicht sogar, er würde seine Dienstzeit für eine kurze Nummer nutzen.
Er lächelte, als er sich die wütende, zerzauste Madeleine vorstellte, die durch die heißen Straßen rannte, um ihren brünftigen, zukünftigen Exmann zu suchen.
Doch plötzlich erstarrte sein Lächeln. Wo könnte Marcel nach Madeleines Ansicht sein Stelldichein haben? Nicht im Hotel, nicht bei dem Mädchen, nicht zu Hause. Und nicht weit entfernt, um nicht zu lange abwesend zu sein. Blieb nur die Wohnung eines verständnisvollen Freundes …
Der kleine Mann sprang auf sein Moped.
»Ich fahre zum Schrottplatz, bin gleich wieder da. Ich brauche eine Batteriezündanlage.«
»Ja, ja, aber beeil dich .«
»Bis gleich!«
Madeleine war durch das Haus gegangen. Ein verdunkeltes Schlafzimmer, in dem es muffig roch, ein Wohnzimmer mit abgenutzten Möbeln, ein schwarz-weißgefliestes Bad, eine Toilette, die offenbar seit fünfzig Jahren nicht mehr geputzt worden war. Das Haus war schmutzig, aber leer. Sie hatte sich getäuscht. Vielleicht hatte sie sich ja alles nur eingebildet, vielleicht betrog Marcel sie gar nicht? Oder sollte sie besser sagen »noch nicht«?
Sie ging in die Küche zurück und betrachtete die zerbrochene Scheibe. Na gut, schließlich war eine Scheibe nichts Dramatisches. Ihr Blick fiel auf die riesige Gefriertruhe. Fast so groß wie die Dinger, in denen man Mumien aufbewahrte. Wie lange wollte sie schon so eine haben, doch Marcel weigerte sich . Aber was fing ein Junggeselle mit einem so großen Ding an? Sie trat näher, um die Marke besser sehen zu können, und öffnete automatisch den Deckel.
Madeleine hörte nicht das Moped, das vor dem Haus hielt. Sie starrte verstört und entsetzt auf das Durcheinander von gefrorenen Gliedern, und ihr Verstand weigerte sich energisch, die wahre Bedeutung dessen zu erfassen, wie sie sah.
Die Stimme knallte wie ein Peitschenhieb hinter ihrem Rücken.
»Na, Mado, eine kleine Besichtigung?«
Sie zuckte zusammen und fuhr verblüfft herum.
Der kleine Mann sah sie an, die Augen waren hinter der Sonnenbrille verborgen, die Lippen über seinen spitzen Zähnen hochgezogen, die Hände hielt er hinter dem Rücken.
»Rechts oder links?«, fragte er mit sanfter Stimme.
»Was?«, stammelte Madeleine, die plötzlich den heftigen Drang verspürte, zu urinieren.
»Rechts!«, versicherte der kleine Mann und zog langsam die Hand vor, die ein glänzendes Hackbeil hielt.
In einem Anfall von animalischer Panik wollte Madeleine durch das Fenster fliehen. Das gut geschärfte Beil sauste auf sie zu und trennte ihren Knöchel ab. Madeleine versuchte zu schreien, doch kein Laut
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