Der Puppendoktor
Hitze, gefolgt von Max, am Rand der Narkolepsie, steuerten langsam auf sie zu.
»Messieurs … Polizei.«
»Nicht zu übersehen!«, rief Ben lachend.
»Wir hätten da ein paar Fragen« - Georges holte Luft und trocknete sich die Stirn - »was Madeleine Blanc betrifft. Sie wird vermisst.«
»Ja, wir wissen Bescheid.«
Paulo war näher getreten, und beide musterten Georges.
»Routinefrage: Wissen Sie, wo sie ist?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Ben und wischte sich die Hände an seinem Blaumann ab.
»Madeleine kennen wir nicht so gut wie Marcel, wir Männer machen nämlich zusammen Karate«, erklärte Paulo.
»Ihres Wissens nach: War sie treu?«, erkundigte sich Georges und senkte dabei die Stimme.
»Bestimmt! Madeleine ist mehr der häusliche Typ, Kirche, Kinder, Küche. Sie dreht sich nie nach anderen Männern um.«
Schnell die Schussrichtung korrigieren.
»He, du vergisst den Schwimmlehrer, dem sie am Strand schöne Augen gemacht hat.«
»Sie hat nur mit ihm rumgeblödelt, das ist alles.«
»Ja, aber seit es mit Marcel nicht mehr klappt .«
»Ach, hängt bei den beiden der Haussegen schief?«, wollte Georges wissen.
Jetzt den Todesstoß geben.
»Genauer gesagt, sie lassen sich scheiden.«
Seelenruhig füllte Georges mit seiner sauberen Handschrift die Seiten seines Notizbuchs. Blanc und seine Frau verstanden sich also nicht mehr. Und die treue Madeleine ließ sich am Strand anbaggern.
»Kennen Sie den Namen des Schwimmlehrers?«
»Nein«, antworteten die beiden Mechaniker wie aus einem Mund.
Georges stellte noch ein paar weitere Fragen, notierte die Antworten, sah Max an, der vor Müdigkeit schon fast schielte, klappte sein Notizbuch zu und steckte es in seine Tasche.
»So, Messieurs, jetzt lassen wir Sie weiter arbeiten. Contadini . Ich kenne diesen Namen, nur woher? Haben wir vielleicht gemeinsame Bekannte?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Na ja, ist auch nicht so wichtig. Auf Wiedersehen, Messieurs.«
Georges und Max entfernten sich langsam. Der kleine Mann atmete tief durch. Er wusste sehr genau, woher er ihn kannte, den alten Georges. Selbst noch nach fünfunddreißig Jahren.
Während er mit einem Zahnstocher zwischen den Zähnen bohrte, grübelte Georges nach. Er hatte seinen Bericht fertig geschrieben und Max, der ihm auf die Nerven ging, nach Hause geschickt. Jetzt saß er im Wachraum vor einem Pastis und spielte Karten mit Marron, einem anderen Veteranen. Contadini, der Name ließ ihn an einen Hausbrand denken. Ja, einen Brand. Eine Gewitternacht. Trümmer . Aber wann? Und wo? Und warum? Das Bild von einer zerfetzten Leiche schoss ihm plötzlich durch den Kopf wie ein Blitz. Er sprang auf, stieß sein Glas um. Marron schimpfte:
»Jo, spinnst du, oder was?!« »Jetzt weiß ich's! Der Brand von La Palombiere!«
»Jo, alles in Ordnung?«
»Dort habe ich den Namen gehört, es war der von der Frau!«
»Von welcher Frau? Jetzt beruhige dich erst mal. Und dann erklär's mir.«
»Sie wurde unter den Trümmern gefunden mit ihrem kleinen Sohn, zwei Wochen nach dem Brand. Wir glaubten, sie wären verbrannt. In Wirklichkeit war es ein Kerl.«
»Was, ein Kerl?«
»Ein Kerl, der verbrannt war. Wir wussten nicht, dass es noch einen Keller gab.«
Marron leerte sein Glas in einem Zug.
»Jetzt mal der Reihe nach, ich versteh überhaupt nichts.«
»La Palombiere, das war ein Besitz im Esterei, völlig abgelegen. Madame Contadini lebte dort mit ihrem Sohn, einem Jungen von etwa zehn Jahren. Dann war da dieses Gewitter, und der Blitz hat ins Haus eingeschlagen. Alles ausgebrannt. Wir haben verkohlte Knochen gefunden und glaubten, es seien die beiden gewesen. In Wirklichkeit aber hatten sie sich in den Keller geflüchtet, unter die Trümmer.«
»Waren sie tot?«, fragte Marron und unterdrückte ein Gähnen.
»Die Frau war tot. Schädelbruch. Aber der Junge, der lebte noch.«
»Donnerwetter!«
»Du sagst es. Zwei Wochen nach dem Brand kam der Bulldozer, um alles zu planieren, er hat dabei den Keller eingerissen, und man hat sie gefunden. Ich war jung damals. Doch ich erinnere mich noch genau an die Augen des Jungen, Augen, wie du sie noch nie gesehen hast, schlimmer als im Fernsehen.«
»War er denn nicht verhungert?« »Marron, ich schwöre dir, es stimmt, was ich jetzt sage: Er hat seine Mutter gegessen.«
Marron starrte ihn ungläubig an.
»Was erzählst du da? Hast du zu viel getrunken?«
»Um zu überleben, hat er sie gegessen, verstehst du? Zwei Wochen in totaler Dunkelheit mit der
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