Der Puppenfänger (German Edition)
ihm Grüße von Schöllen bestellt und ihn aufgefordert einzusteigen. Wir sind nach Osnabrück gefahren. Schöllen hatte dort für seinen Bruder ein Hotelzimmer gemietet und Bargeld und Kleidung deponiert. Er hatte Laxhoff versprochen, ihm einige unbeschwerte Tage in Hamburg zu spendieren. Laxhoff hat das Geld aus dem Zimmer-Safe geholt und sich umgezogen.«
»Hat er Ihnen erzählt, wie viel Geld Schöllen dort deponiert hatte?«
»Nein! Er meinte, es sei genug, um sich damit einige vergnügliche Wochen zu machen, und auch, dass es Schöllen nicht weh tue, denn der habe genügend Schwarzgeld-Quellen.«
»Was geschah dann?«
»Ich habe ein Betäubungsmittel in sein Getränk gemischt und ihn, als er das Bewusstsein verloren hatte, zur Hütte an Wanners Karpfenteich gefahren. Dort habe ich ihn mit großer Mühe aus dem Auto gezerrt, ihn gefesselt und festgebunden. Ganz genauso, wie sie Alexandra festgebunden haben. Bis zu ihrem Tod mussten Laxhoff und Schöllen die Musik hören, die sie abspielten, während sie sich über Alexandra hermachten.« Thomas Orthes schloss die Augen. Er sah Laxhoff vor sich. Sie hatten miteinander auf die Freiheit angestoßen. Laxhoff war ausgelassen und sofort betrunken gewesen. Er hatte den grobschlächtigen Mann beobachtet, an Alexandra gedacht und einen Hass gefühlt, der ihn fast nicht atmen ließ.
»Wer hat Ihnen geholfen, Herr Orthes?«, fragte Dieter. Er überlegte, dass der Verdächtige ihnen ein Geständnis vorlegte, an dem es nichts zu rütteln gab. Eine saubere, unmissverständliche Aussage, über die Hauptkommissar Fuchs hochbefriedigt sein musste, die aber den Menschen Fuchs nicht froh sein ließ.
»Niemand hat mir geholfen.«
»Wer war Ihr Komplize?«
»Ich hatte keinen Komplizen!«
»Und dann? Was geschah danach?«
»Erschossen habe ich Laxhoff erst, nachdem er ein Geständnis abgelegt und mir erzählt hatte, was ich wissen wollte«, erklärte Orthes sachlich, mit einer ruhigen, gefassten Stimme. »Dann habe ich mir Schöllen auf die gleiche Art und Weise vorgenommen.«
»Sie haben beide Männer gezwungen, ein Verbrechen zu gestehen?« Gut und Böse lagen oft dicht nebeneinander, überlegte Dieter. Trotzdem war Selbstjustiz nicht zu rechtfertigen. Dessen war er sich gewiss. Nicht bei einer Marianne Bachmann, die in den Achtzigern den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschossen hatte, und ebenso wenig bei Thomas Orthes.
»Es ist einfach, einen Menschen unter Druck zu setzen. Wasser ist eine starke Waffe, Herr Kommissar. Du verweigerst es, bis der Mensch spürt, dass der Tod kommt. Dann schenkst du es ihm, damit er dir das geben kann, was du von ihm haben willst. Kontrollierter Wasserentzug – sozusagen.«
Dieters Augen suchten im Gesicht seines Gegenübers nach Unsicherheit, Zweifeln, Scham oder Reue und fanden nichts davon.
»Sie sprechen über Folter, Herr Orthes!«, er fühlte, dass sein Mitleid mit dem Mann fast gewichen war und das Entsetzen über diese Form der Selbstjustiz überwog.
Orthes nickte. »Folter. Ja. So kann man es nennen. Auch Schöllen hatte das irgendwann begriffen.«
»Sie haben den Tod der beiden Männer bewusst in Kauf genommen?«, fragte Dieter, obwohl er die Antwort in der unbewegten Miene seines Gegenübers lesen konnte.
Thomas Orthes hatte ihren Tod nicht nur in Kauf genommen, sondern sie gefangen gesetzt, um sie zu töten. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er hatte Alexandras Mörder quälen wollen, wie sie Alexandra gequält hatten, damit sie sich ihrer Verbrechen erinnerten und Buße taten.
»Eines wollte ich nicht«, bekannte Tommy. »Ich wollte keinen Unschuldigen töten, und genau das ist geschehen, als ich diesen Mann bei Haren überfahren habe. Ich habe ihn zu spät gesehen. Laxhoffs Leiche lag im Kofferraum des Wagens. Ich bekam Panik und gab Gas, machte mich davon, so schnell ich konnte. Dann habe ich Spuren fingiert, um den Verdacht auf Schöllen zu lenken. Ich wollte, dass man annimmt, Schöllen habe seinen Halbbruder erschossen und sich anschließend selbst getötet.«
»Warum wollten Sie den Verdacht auf Schöllen lenken?«, fragte Dieter, obwohl er die Antwort kannte.
»Ich dachte, ich könnte meiner Strafe entgehen«, erklärte Tommy. »Sie kennen doch den Brief, den ich verfasst habe, nachdem Schöllen bereits nicht mehr lebte.«
Als er seinen Plan ausgearbeitet hatte, war ihm ein großer Irrtum unterlaufen, gestand Thomas sich ein. Er war davon ausgegangen, dass er, nachdem er das Todesurteil über
Weitere Kostenlose Bücher