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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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Tätowierte so hieß, erfuhr ich aber erst später.«
    Thomas Orthes blickte Dieter aus einem schneeweißen Gesicht an. Schweiß stand auf seiner Stirn. Als Dieter fragte, ob man eine Pause einlegen solle, winkte er ab: »Ich fragte Schöllen, ob diese Tätowierung eine bestimmte Bedeutung für ihn habe oder ob er sie sich lediglich habe stechen lassen, weil ihm das Motiv gut gefalle.«
    »Und? Wie beantwortete Herr Schöllen Ihre Frage?«
    Thomas stieß ein spöttisches Lachen aus, das man ebenso gut als Schluchzer interpretieren konnte, und fuhr sich mit seinen behandschuhten Händen über die Wangen. »Schöllen sagte, das Frauenbein und der Schuh erinnerten ihn an seine Lehrerin, die er regelmäßig beim Sex in einem Cabrio beobachtet habe. Die Lehrerin und ihr Liebhaber hätten wohl nur gekonnt, wenn das Fräulein schwarze Strümpfe und rote Pumps trug und ein Bolero als musikalische Unterhaltung den Takt schlug.« Orthes verfiel in Schweigen. Er stützte die Ellenbogen auf und verbarg das Gesicht in seinen Händen.
    »Sie sprachen soeben über Schöllens Lehrerin, die beim Sex im Auto schwarze Strümpfe und rote Pumps trug und dabei Bolero hörte«, nahm Dieter nach einer Weile den Faden wieder auf.
    Orthes legte die Hände auf die Tischplatte und starrte, an Dieter vorbei, auf die Wand vor sich. »Alexandra hatte mir von diesem Bolero erzählt. Sie hat ihn gesummt, als ich sie nach der Tat nackt aus einem Graben zog.«
    Er sprach nicht weiter, schlug stattdessen abwechselnd mit den Händen auf die Tischplatte. TAM Ta Ta Ta Tam Ta Ta Ta … »Später«, schluchzte er plötzlich laut und ballte seine Hände zu Fäusten. »Später, als sie wieder zu Kräften gekommen war, hat sie diesen Bolero aus sich herausgebrüllt, hat mit ihren Fäusten im Takt dieser Musik auf alles und jeden eingeschlagen, der ihr nahe kam. TAM Ta Ta Ta Tam Ta Ta Ta … Immer wieder und wieder!«
    Dieter versuchte, sein Entsetzen zu verbergen. Er schluckte schwer, fragte sich einen winzigen Augenblick, wie er reagieren würde, wären Heide oder seine Schwester betroffen, schob den Gedanken jedoch sofort weit von sich, weil er ihn jetzt nicht ertrug.
    »Ich habe mich sehr lange mit Schöllen unterhalten und ihn ausgehorcht«, erklärte Orthes auf einmal überraschend gefasst und ruhig. »Schöllen erzählte, dass er mit Simone Buttenstett verheiratet sei und in Holte gerade ein Haus gebaut habe. Deswegen habe ich die Verbindung zu meiner alten Freundin Beate Buttenstett wieder aufleben lassen. Irgendwann hat Schöllen mir bei einer Flasche Wein von Gunnar Laxhoff erzählt. Er schämte sich für seinen Halbbruder, der bereits mehrere Jahre Knasterfahrung hatte.« Schöllen hatte ihm vertraut, dachte Thomas Orthes, und er hatte auf jeden Fall vermeiden wollen, dass Simone und Beate von Laxhoff erfuhren.
    »Was unternahmen Sie dann?«, hakte Dieter nach.
    »Ich erfuhr, dass Laxhoff mein zweiter Mann war, aber er war noch im Knast. Ich wollte beide, also musste ich warten«, erwiderte Thomas und schloss erneut die Augen. Er hatte sofort geahnt, dass es Laxhoff war, nach dem er suchte und von dem er in Alexandras Tagebuch gelesen hatte. Trotzdem hatte er sich Alexandras Bilder noch einmal angesehen und festgestellt, dass sie auf einem davon einen dicklichen Mann gezeichnet hatte, dessen Gesicht weder Mund noch Nase oder Augen besaß. Es hatte ausgesehen wie eine glänzende, kugelrunde Glatze. Irgendwann war er volles Risiko gefahren und hatte Schöllen gefragt, ob er Laxhoff ähnlich sehe. Der athletische Schönling Schöllen, mit seiner wunderbaren Haarpracht, hatte gelacht und ihm beschrieben, wodurch sich die Brüder rein äußerlich unterscheiden. Danach waren auch seine letzten Zweifel ausgeräumt.
    Die Mörder sind unter uns, schoss es Dieter durch den Kopf, als er den Mann vor sich musterte. Sie tragen kein Mal, das sie verraten kann. Sie sehen uns an, und wir sind nicht in der Lage, sie zu erkennen, weil sie Menschen sind wie du und ich. Menschen, die ein Ereignis aus der Bahn geworfen hat, die ihre Bodenhaftung verloren haben. Schicksal? Fügung? Zufall? Eines ist gewiss: Die Zutaten, aus denen ein Mörder gemacht wird, kennt jeder von uns. Sie heißen Rachsucht, Neid, Habgier, Eifersucht, Hass. Es braucht nur einen kleinen Stoß. Und dann? Wer weiß.
    »Schöllen hatte mir erzählt, wann Laxhoff aus dem Gefängnis entlassen wurde«, fuhr Orthes fort. »An dem besagten Tag habe ich vor dem Gefängnistor in meinem Wagen auf ihn gewartet,

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