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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Moment verzog sie ihr Gesicht wie unter starken Schmerzen. «Tu es in die Scheune, Jakob», verlangte sie anschließend. «Oder nein. Sieh zu, ob du es schaffst, dass er es dorthin zurückbringt, wo er es gefunden hat. Da hätte man einen Anhaltspunkt.»
    Ob Ben das Fahrrad bereits bei sich gehabt hatte, als er kurz nach zehn heimkam, wusste Tanja nicht. Sie hatte sich nur aus dem Fenster beugen können, als sie ihn rufen hörte. Das Zimmer lag an der Rückseite des Hauses neben Bens Zimmer. Er war um die Hausecke gekommen – und wieder gegangen, als sie ihm auftrug, sich vor die Tür zu setzen und zu warten. Aber ob er tatsächlich die ganze Nacht dort gesessen hatte, konnte Tanja nicht sagen.
     
    Brittas Rad hatte Trude bereits auf den Zwischenboden der Scheune gebracht, gleich nachdem Jakob weggefahren war. Und vorerst kam niemand auf die Idee, bei ihr nach etwas zu suchen oder sie mit Fragen zu belästigen. So fand sie auch Zeit genug, den blutigen Rucksack zu verbrennen.
    Die Stimmung im Dorf hatte den Siedepunkt überschritten. Untereinander sprachen einige offen von dem Schaufelblatt, mit dem man Ben erschlagen müsse wie einen tollwütigen Hund. Andere vermissten Bruno Kleu bei der Suche und debattierten sogar in Gegenwart seiner Söhne über den starken Ast und den Strick, mit dem man Bruno aufknüpfen müsse.
    Es war fast so wie früher. Da hatten sie auch nur hinter vorgehaltener Hand geflucht auf die Sterns und die Goldheims, die in ihren noblen Häusern saßen und als Viehhändler oder mit ihrem Fahrradgeschäft den Leuten das Geld aus der Tasche zogen. Und nur wenn sie unter sich waren, hatten sie gelästert über die kleine Christa von Burg, deren blödes Grinsen ihr Vater nicht mit all seinem Land und all seinem Geld aus der Welt schaffen konnte. Aber es wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, die kleine Christa, die Sterns oder die Goldheims bei Wilhelm Ahlsen oder der Polizei anzuschwärzen.
    So dachte auch niemand daran, ein offenes Wort zu verlieren über Ben, Bruno oder gar über Albert Kreßmann, der immer noch – inzwischen fast allein, sein Vater war am Rand der Senke eingeschlafen – im Bruch grub, als wolle er dort einen zweiten Keller ausheben. Erst Heinz Lukka tat, was getan werden musste.
    Der alte Rechtsanwalt war an diesem Montag kurz nach acht in seine Kanzlei gefahren. Um zehn hatte er einen Termin vor dem Amtsgericht. Als er um eins zurück in die Kanzlei kam, richtete seine Sekretärin ihmaus, es habe schon zweimal eine Frau Lässler angerufen und gebeten, er möge sich doch bitte umgehend melden.
    Heinz Lukka zeigte sich erschüttert, als Antonia ihm erklärte, warum sie ihn so dringend sprechen wollte. «Um Gottes willen», sagte er. «Das kann doch gar nicht sein. Sie war noch bei mir gestern Abend. Sie hatte einen kleinen Streit mit Ben. Es ging um ihr Fahrrad, glaube ich. Er war ziemlich aufgeregt. Ich habe sie ins Haus gerufen und ihn heimgeschickt. Aber viel Zeit hatte ich nicht. Ich musste noch zu einer Sitzung und war ohnehin spät dran. Als wir aus dem Haus kamen, war ihr Rad weg. Ich nehme an, Ben hat es genommen. Ich habe ihr angeboten, sie rasch mit dem Wagen heimzubringen. Aber sie wollte ihr Rad suchen.»
    «Hast du jemanden gesehen auf dem Weg?», fragte Antonia.
    «Nicht, als wir aus dem Haus kamen», sagte Heinz Lukka. «Vorher war eine junge Frau da mit einem Mann im Rollstuhl. Ben war jedenfalls nirgends zu sehen. Hast du die Polizei verständigt?»
    «Die können auch nicht mehr tun als die Männer draußen», meinte Antonia.
    «Sag das nicht», widersprach Heinz Lukka. «Sie haben doch andere Möglichkeiten, Spürhunde, Hubschrauber, was weiß ich. Du solltest sie verständigen.»
    Als Antonia ihm darauf nicht antwortete, meinte Heinz Lukka noch: «Zwei Mädchen aus einer Familie, das ist kein Zufall, Antonia. Und da glaube ich auch nicht mehr daran, dass Marias Tochter ausgerissen ist. Da sollte man eher annehmen, es hat jemand einen furchtbaren Hass auf euch. Mach den Trotteln in Lohberg die Hölle heiß, dass sie endlich die Kripo informieren. Oder soll ich es für dich tun?»
    Nachdem er das Gespräch beendet hatte, bat HeinzLukka seine Sekretärin, die Termine für den Nachmittag und den nächsten Tag abzusagen. Wenige Minuten später verließ er die Kanzlei und fuhr zur Polizeistation. Von seinem persönlichen Erscheinen versprach er sich mehr als von einem Anruf. Um den Beamten den nötigen Druck zu machen, schaltete er auch die Presse ein. Heinz

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