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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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die damals noch Ahlsen hieß, mit Paul Lässler und der blutjungen, hochschwangeren Antonia an einem Tisch. Sie tanzten und tranken, lachten und amüsierten sich über Heinz Lukka, der schon einundvierzig und immer noch ledig war.
    Heinz Lukka hatte einen über den Durst getrunken und bemühte sich mit hochrotem Gesicht, ein Mädchen für einen Tanz zu finden. Er suchte sich jedoch immer die jungen aus, holte sich einen Korb nach dem anderen und ging noch vor zehn Uhr nach Hause.
    Nachdem er draußen war, lästerten sie weiter über ihn. Damals durften sie noch lästern und spekulieren, woran es liegen mochte, dass Heinz Lukka keine Frau fand. Ob es etwas mit seiner schmächtigen Gestalt oder mehr mit dem Gedächtnis der Leute zu tun hatte – der Vater war ein alter Nazi gewesen   –, und wie der Vater, so der Sohn.
    Von den alten Zeiten distanzierte sich Heinz Lukka inzwischen, er war seit langem ein Mitglied der christlichdemokratischen Union. Er rannte jeden Sonntagmorgen in die Kirche, brachte vorher noch frische Blumen zum Grab seiner Mutter. Und was für Sträuße, das musste man gesehen haben, sonst glaubte man es nicht. Aber das änderte nichts.
    Hinter Heinz Lukkas Rücken fiel noch häufig derAusdruck Nazi. Mochte er auch seit Jahren eine Stütze der Gesellschaft sein, Mitglied im Gemeinderat und als Rechtsbeistand unentbehrlich für solche wie Richard Kreßmann, der häufig um seinen Führerschein zittern musste, oder den alten Kleu, den die Unterhaltsforderungen gegen seinen Sohn und die Schadenersatzansprüche nach Brunos Prügeleien plagten. Den Jungzugführer der Hitlerjugend verzieh man Heinz Lukka nicht. All die kleinen und großen Schikanen, mit denen er solche wie Paul Lässler und Jakob Schlösser in Angst und Schrecken versetzt hatte. Mit vierzehn war Heinz hinter dem halben Bund deutscher Mädchen her gewesen. Mit vierzig schaute er in die Röhre.
    Thea erzählte, Heinz Lukka habe ein Auge auf Maria Lässler geworfen. Maria war erst siebzehn. Paul wollte augenblicklich hinaus und dem alten Bock was aufs Maul hauen. Antonia hielt ihn mit Jakobs Hilfe zurück. Und Thea verstand nicht, worüber Paul sich aufregte. Immerhin war auch er zwanzig Jahre älter als seine Frau. Und Heinz Lukka hatte ernste Absichten, im Gegensatz zu dem Grünschnabel Bruno Kleu. Dem ging es doch nur um eines. Und wenn Paul seine Schwester noch lange mit Bruno durch die Gegend ziehen ließ, durfte er sich nicht wundern, wenn sie in Kürze mit einem dicken Bauch ankam.
    «Das lass nur meine Sorge sein», sagte Paul. «Bruno hab ich mir schon zur Brust genommen. Den hat sie seit Wochen nicht mehr gesehen. Vergangenen Samstag war sie mit Erich Jensen aus.»
    Auch das hätte Thea sich an Pauls Stelle noch dreimal überlegt. Ein Rechtsanwalt mit gut florierender Kanzlei in Lohberg war einem jungen Apotheker auf jeden Fall vorzuziehen. Dass sich die Jensen-Apotheke auf Dauer im Dorf halten konnte, bezweifelte Thea stark, nachdemErich Jensen ihr den Laufpass gegeben hatte. Die meisten Leute fuhren doch jetzt schon mit ihren Rezepten nach Lohberg wie Toni und Illa von Burg.
    Heinz Lukka war um Längen die bessere Partie als Erich Jensen, fand Thea. Er war ein herzensguter Mensch, der eine junge Frau auf Händen tragen würde, Thea war als Kind in Lukkas Elternhaus ein und aus gegangen – wegen der Freundschaft der Väter. Sie kannte jedenfalls die Verhältnisse und Heinz Lukka sehr genau und bedauerte ihn aufrichtig.
    In jungen Jahren hatte seine Mutter ihm alles verdorben. Er hätte so gerne Medizin studiert, das war ihm nicht erlaubt worden. Heinz musste, ob er wollte oder nicht, in die Anwaltskanzlei seines Vaters einsteigen. Anschließend hatte seine Mutter jede Frau vergrault, mit der Heinz ausging. Er hatte sich nie getraut, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen und der Alten den Kopf zurechtzusetzen.
    Jetzt gab es keine mehr, die altersmäßig zu ihm passte. Eine Witwe hätte er noch bekommen können oder eine Geschiedene mit Kindern. So eine wollte er nicht. Das musste man verstehen, er hatte seinen Stolz und wollte sich nicht mit angebissenen Broten begnügen. Und ein so verzogenes Geschöpf wie Maria Lässler hätte bei Heinz den Himmel auf Erden, meinte Thea. Es sei nicht damit zu rechnen, dass Maria bei ihm jemals mit eigener Hand einen Wischlappen auswringen müsse.
    Thea erklärte und schwärmte, bis Richard nach dem zehnten Korn neben ihr von der Bank rutschte. Jakob und Trude halfen ihr, Richard ins Auto zu

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